Für einen kurzen Moment bleibt mir das Herz stehen, als der tonnenschwere Festwagen sich gefährlich zur Seite neigt. Die mit echten Kerzen bestückten Lampions schwanken. Die Muskeln der Männer, die den Wagen um die Kurve manövrieren, sind so angespannt wie meine Nerven. Nur die Kinder an Bord, die Flöten und Trommeln eine fröhliche Melodie entlocken, spielen unbeirrt weiter. Mit einem Rumms kommt das gefährt wieder in der Waagrechten an und eine erleichtertes Raunen geht durch die Menge der Zuschauer, dann fröhlicher Jubel. Das Adrenalin befeuert die ausgelassene Stimmung beim Inuyama Matsuri, einem der schönsten Frühlingsfeste Japans. Wenn du eine Japanreise zur Kirschblüte planst, ist dieses Schreinfest meine absolute Empfehlung für dich.

Inuyama – bezaubernde Burgstadt
Die Stadt Inuyama gehört aktuell zu meinen Lieblingszielen in Japan. Gut erreichbar mit dem Zug, hat sie mit Japans ältester erhaltener Burg, einer beschaulichen Altstadt und dem Uraku-en-Garten einiges für einen wunderbaren Tagesausflug von Nagoya aus zu bieten. Vor allem am ersten Aprilwochenende, wenn in der Regel die Kirschbäume in voller Blüte stehen und das Inuyama Matsuri stattfindet.
Wenn nicht gerade Festivalzeit ist oder ein Feiertag ansteht, ist Inuyama noch einier dieser Orte, der nicht von Touristenmassen überschwemmt ist. Stattdessen kann man gemütlich durch die Geschäfte bummeln (hier kann man toll günstige Antquitäten und gebrauchte Kimono ergattern), sich durch die örtlichen Spezialitäten wie gohei mochi schlemmen, im Teehaus des Uraku-en-Garten einen Matcha genießen oder die Stufen im alten Burgturm erklimmen.

Was mir besonders an Inuyama gefällt: es hat ein bisschen was von allem. Und das beinhaltet für mich immer auch einen schönen shintō-Schrein. Und die Altstadt hat davon gleich zwei – den Sanko Inari und den Haritsuna-Schrein. Beide liegen am Fuße des Burghügels. Letzterer ist Ausgangspunkt für das Inuyama Matsuri.
Inuyama Matsuri – ein Fest zum Höhepunkt der Kirschblüte

Der Haritsuna-Schrein dient dazu, die lokale Schutzgottheit der Region zu ehren. (Schon die Samurai machten hier auf dem Weg nach oben zur Burg Halt.) In seiner spektakulärsten Form passiert dies seit 1635 jedes Jahr am ersten April-Wochenende. Dann verwandelt sich die ganze Altstadt in ein buntes Treiben. Neben diversen Leckereien an unzähligen Essensständen steht vor allem die Festwagenparade im Mittelpunkt der Feierlichkeiten.

Insgesamt dreizehn Festwagen (yama 山車, dt. „Bergwagen“) mit jeweils ca. acht Metern Höhe werden von Mitgliedern der Nachbarschaftsvereine durch die Straßen gezogen. Dabei tragen die Ziehenden traditionelle Gewänder, unter anderem auch klassische Strohsandalen, die immer wieder neu gebunden werden müssen, um optimalen Halt zu geben.

Auf den Wagen befindet sich zum einen ein kleines Musikensemble im Inneren, sowie eine Ebene höher versteckt hinter Vorhängen einen oder mehrere Puppenspieler. Diese bedienen kunstvoll Figuren (karakuri ningyō 絡繰り人形, dt. „mechanische Puppen“), die oben auf den Festwagen angebracht sind. Eine uralte, japanische Tradition, die man so nur noch selten sieht. Deshalb wurde das Inuyama Matsuri auch mit anderen Festen dieser Art ins immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen.

Besonders viel zu sehen gibt es auf dem Vorplatz des Shiroyama-Hügels, auf dem sich Burg Inuyama befindet. Alle yama-Festwagen machen dort Stopp, um ihr Puppenspiel vor prächtig blühenden Kirschbäumen vorzuführen. Auch nimt dort eine Priesterparade ihren Anfang, bei der eine o-mikoshi-Göttersänfte durch die Straßen getragen wird.

Lichterspektakel: unbedingt bis abends bleiben
So eine Japanreise bringt es mit sich, dass man jeden Tag viele Schritte macht. Bei so einem Festival ist das nicht anders und gegen späten Nachmittag werden dir schon mal die Beine lahm. Dann heißt es irgendwo gemütlich Pause machen und durchhalten. Denn am Abend zeigt sich das Inuyam Matsuri noch einmal von einer ganz anderen Seite.
Für kurze Zeit kehrt ein wenig Ruhe ein, da die Festwagen zurück zu ihren festen Garagen gezogen werden. Am besten folgst du einem. Dann kannst du beobachten, wie die Konstruktionen über und über mit Lampions behangen wird. Halsbrecherisch klettern ein paar Mutige die Wagen hinauf, befestigen die Hunderten Papierlaternen und entzünden die Kerzen, bevor sich das Gefährt wieder in Bewegung setzt.



Die Kinder, die im Inneren der Wagen musizieren, tragen nun prächtige Kostüme, die mit beleuchteten Elementen geschmückt werden. So scheinen sie wie kleine Helden und Prinzessinnen aus der japanischen Mythologie.
Von nun an hält man noch fester den Atem an, wenn die Holzgefährte in den engen Gassen um 90 Grad um die Kurve gehievt werden. Denn man rechnet jeden Moment damit, dass einer kippt und alles in Flammen aufgeht. Am Ende geht aber alles gut. Alle hier sind geübt und machen dies jedes Jahr.

Am Ende bin ich sehr beseelt nach Hause gefahren. Den Tag hatte ich mit meinem Papa erlebt und wir sind uns bis heute einig, dass das Inuyama Matsuri das Highlight unserer Kirschblüten-Japanreise war.
Quellen und weiterführende Links
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