Als wäre der Bahnhof in Kyōto nicht schon sehenswert genug, scheint an diesem Tag noch etwas geboten zu sein. Denn überall wuseln geschniegelte Bahnbeamte in Uniformen herum und Leute warten. Nicht auf ihren eigenen Zug. Nein, das, was da gleich kommt, können sich die meisten nicht leisten. Dunkelgrüne Lackierung, goldene Zierleisten, elegante Panoramafenster. Vorne und hinten ein Balkon. Aber einmal sehen wollen ihn alle: den Twilight Express Mizukake. Ein japanischer Sonderzug der Luxusklasse – ein rollendes 5-Sterne-Hotel.
Eigentlich wollten mein papa und ich nur zum Bahnhof, um einen Tagesausflug zu machen. Dochd ann sind wir mittendrin in dem Spektakel. Eine junge Bahnmitarbeiterin verteilt kostenlose Goodiebags an Kinder und egal ob groß oder klein, alle wedeln begeistert mit dunkelgrünen Fähnchen, die das Logo des Zugs ziert. Und dann steht er da endlich, so strahlend, so sauber poliert, dass ich meine eigene Reflektion sehen kann. Und spätestens da bin auch ich völlig mitgerissen von der Begeisterung der anderen am Bahngleis. Was für ein besonderer Moment während unserer Japanreise.

Nachfolger des legendären Twilight Express
Zugfahren hat in Japan einen ganz anderen Status als bei uns. Wo die Deutschen das Jammern über den maroden Zustand der Bahn eint, begegnet man im Lieblingsland dem einheimischen Bahnsystem mit Wohlwollen (solange man nicht pendelt und eben wie überall sonst auch täglich mit Unpünktlichkeit durch Personenschäden oder überfüllte Waggons zur Rush Hour, im schlimmsten Fall inklusive Grapscher, konfrontiert ist). Zum einen ist da der Shinkansen als zuverlässiges Express-Fortbewegungsmittel, zum anderen gibt es überall auf den vier Hauptinseln liebevoll gestaltete Sonderzüge. Für jeden Geschmack ist etwas dabei: von Dampflok bis Pokemondesign. Und auch für jeden Geldbeutel. So schunkeln mehrere Luxuszüge durch Japan. Die bekanntesten drei sind der „Seven Stars of Kyushu“, der „Train Suite Shiki-shima“ und eben der „Twilight Express Mizukake“.
Letzterer beruft sich im Namen auf einen der legegndärsten Züge der japanischen Bahngeschichte, den „Twilight Express“. Dieser war ein luxuriöser Schlafwagenzug, der von 1989 bis 2015 zwischen Osaka und Sapporo verkehrte. Das entspricht einer Strecke von rund 1.500 Kilometern. Dementsprechend dauerte die Reise etwa 22 bis 23 Stunden. Der Zug war berühmt für sein komfortables Interieur, die speziellen Schlafwagen und die Möglichkeit, Japan in seiner ganzen Vielfalt vom Zugfenster aus zu erleben. In 26 Jahren beförderte der Twilight Express rund 1,16 Millionen Passagiere und galt als Vorreiter der japanischen Schlafwagenzüge.
Daran knüpft der Twilight Express Mizukake nun an. Auf Massenbeförderung ist er allerdings nicht ausgelegt. Ganz im Gegenteil.

5-Sterne-Hotel auf Schienen
Wie sein Vorgänger ist der Twilight Express Mizukake ein Schlafwagenzug. In den insgesamt zehn Wägen können aber nur maximal 34 Personen übernachten. In der luxuriösesten Variente, die es nur einmal an Board gibt, nimmt die Suite einen ganzen Wagen ein. Sie hat einen eigenen kleinen Balkon und ein Badezimmer mit Badwanne, von der aus man in die Landschaft blicken kann. (Das! Ich kann mir nichts besseres vorstellen, als in einer Wanne zu liegen und gleichzeitig Japan dabei zu erkunden 😆)
Zusätzlich gibt es mehrere Lounges und ein Restaurant, in dessen Küche ein Sternekoch regional inspirierte Gerichte für die Fahrgäste zubereitet. Manche der Essen werden im Speisewagen kredenzt, andere im privaten Ambiente des eigenen Zimmers.
Das Interieur erinnert an die Eleganz der 1920er und 1930er Jahre und bedient sich am Designstil Art Deco. Verantwortlich dafür ist Innenarchitekt Ura Kazuya (浦 一也). Dabei wurde versucht, möglichst traditionelles, japanisches Handwerk zu integrieren, wie zum Beispiel Vasen aus der Töpferregion Bizen oder Kazari-Eisenbeschläge der Lichtschalter aus Kyōto. Selbst die Kleiderbügel in den Schränken sind einzeln per Hand hergestellt.

Routen und Preise des Twilight Express Mizukake
Ein Zug mit dieser Ausstattung hat natürlich seinen Preis. Dieser ist abhängig von Zimmerkategorie und Route. Der Twilight Express Mizukake fährt nämlich nicht immer die gleiche Strecke.
Grundlegend ist er bisher aber immer im Bereich West-Honshū unterwegs, also zwischen Kyōto und Shimonoseki, dem westlichsten Zipfel der japansichen Hauptinsel. Bei den zweitägigen Touren mit einer Nacht an Board, fährt man entweder die Ost- oder Westküste entlang. Eine große Rundreise mit drei Tagen und zwei Nächten vereint ein Best-of-Westjapan:
- Tag 1: Kyōto – Seto-Inlandsee – Okayama (Korakuen-Garten) – Onomichi – Abendessen an Bord
- Tag 2: Unnan – Matsue (Burg, Shinji-See) – Izumo (Kagura-Aufführung, Teehaus)
- Tag 3: Tottori (Sanddünen, Sandmuseum) – Higashihama – Rückkehr nach Kyōto
Die Routen werden immer wieder angepasst. Für nächstes Jahr tüftelt man gerade an einer neuen Strecke.
Preislich beginnt eine Fahrt im Twilight Express Mizukake bei knapp über 2.000 € (beim derzeitigen schwachen Yen) und geht hoch bis um die 8.000 € pro Person.
Für Tickets bewerben kann man sich auf der japanischen Website, was für ausländische Besucher natürlich schwierig ist. Deshalb gibt es neuerdings spezielle Termine, die auf Nicht-Japaner ausgelegt sind (es gibt zum Beispiel extra englischsprachiges Personal an Board) und über Reisebüros außerhalb Japans gebucht werden können, zum Beispiel meinen Partner Japan Experience*. In jedem Fall muss man früh dran sein. Der Zug ist immer Monate im Voraus ausgebucht.
Quellen und weiterführende Links
Twilight Express Mizukake: offizielle Website
Wikipedia: Twilight Express Mizukaze (jp.)
Discovery Trains: Twilight Express Mizukaze: an exceptional English-language start!
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