Ich bin meinen ersten vollen Tag in Japan. Am Abend davor hatte ich nach der Ankunft noch zu Fuß den nächstgelegenen Supermarkt erkundet. Etwas zu essen ist also schon mal im Haus. Aber da ich nun seit dem Vormittag auch ein Fahrrad besitze, wird es Zeit meinen Wirkungskreis etwas auszuweiten. Nicht allzu weit weg soll es ein Einkaufszentrum geben, dorthin mache ich mich auf den Weg.
Puh, von der Strecke her ist es von meiner Wohnung dorthin tatsächlich nicht so weit, doch es geht viel bergauf. Ich schnaufe und trete in Jimmys rostige Pedale. Auch wenn es für mein Empfinden sommerliche Temperaturen ha, es ist doch schon Oktober und die Sonne geht früh unter. So färbt sich der Himmel schon rot und gelb, als ich die Bergkuppe endlich erreiche und sich vor mir ein gigantischer Parkplatz mit noch gigantischerer Aeon Mall erstreckt.
Gigantisch wie in „ich habe noch nie so ein großes Einkaufszentrum gesehen“. Und vor allem habe ich ein solches nicht in einer Stadt wie Okazaki erwartet. Schließlich habe ich mich gegen eine japanische Großstadt entschieden. Und dann sowas: ein Shoppingparadies mit Raum für unzählige Läden, Fitness-Studio und Kino.
Das Platzangebot ist so groß dass nicht der ganze Parkplatz belegt ist. Ein Parkanweiser lotst die Neuankömmlinge in Parkbuchten möglichst nah am Eingang, ich befinde mich am anderen Ende. Und genau hier spielt sich ein Schauspiel ab, dass ich noch viele Male beobachten sollte: Krähen sammeln sich zur Nachtruhe. Sie sitzen in den Bäumen, auf dem Asphalt und krächzen munter vor sich hin.
Wahrscheinlich erzählen sie sich nur von den Erlebnissen des Tages, aber ich verbinde mit Krähen und Japan einen Roman, den ich im ersten Semster behandelt hatte. In diesem tötet eine junge Frau im Affekt ihren Mann. Gemeinsam mit ihren engsten Freundinnen zerlegt sie die Leiche und entsorgen die Teile über die Stadt verteilt, in dem die Geschichte spielt. Eine der Frauen bekommt Panik und lädt die sterblichen Überreste des Mannes in Mülleimern in Park ab. Wo sie prompt von Krähen entdeckt werden, wodurch der Mord auffliegt. (Der Roman ist übrigens Die Umarmung des Todes * oder OUT * von Kirino Natsuo, der großartige und erschreckende Einblicke in die Schichtarbeit in einer Bento-Fabrk gibt).
Daran muss ich also denken, als ich die Krähenschar sehe, und mir wird ein bisschen mulmig. (Dass ich Hitchcock’s Die Vögel gesehen habe, ist der Stimmung nur zuträglich) Den Schauer kann ich bis heute nicht ganz abschütteln, wenn ich eine Krähe höre. Ganz egal, wo ich bin. Doch da ist auch jedes Mal das wohlige Gefühl der Erinnerung an Okazaki und so freue ich mich eigentlich, wenn sich eines der Tiere hören lässt.
Nur wenig später, an den Krähen vorbei, biege auch ich ein auf das Parkplatzgelände, schließe Jimmy ab und mache mich an mein erstes Aeon Mall Shoppingerlebnis. Dass nicht mein letztes bleiben wird. Doch das ist eine andere Geschichte… ;)
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Irgendwie habe ich immer ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn ich Krähen sehe oder höre. Und dann auch noch so eine riesige Schar, das ist ja gruselig! :)
In Japan hatte ich auch das Gefühl, die Krähen wären mindestens doppelt so groß wie unsere deutschen Exemplare… Hab ich mir das eingebildet? ^^
Der Mann erzählte mal, dass er auf dem Weg nach Hause vom Bahnhof Richtung Wohnung hartnäckig von einer Krähe verfolgt wurde und kurz bevor er ankam sie tatsächlich im Sturzflug auf ihn herabschoss. Seitdem traut er den Vögeln auch nicht mehr so recht ^^
Oh Gott, das ist ja wirklich gruselig. Als ich neulich ein Video geschaut hab mit Japans Top 5 unheimlichen Tieren waren auch Krähen auf Platz 1 wegen genau sowas. Hin und wieder greifen sie wohl an ><