Werbung: mein Exemplar von „Bravely Default II“ wurde mir freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.
Ich bin gemacht für „Hack and Slay“. Draufkloppen, aufleveln, auf stärkere Monster draufkloppen, repeat. Dennoch haben JRPGs eine magische Anziehungskraft auf mich. Sobald dann auch noch Square Enix auf der Packung steht, gibt es für mich kein Halten mehr. (Was soll ich sagen, ich bin ein Coveropfer.) Damit fahre ich aber nur so semi-erfolgreich. Als jemand, der gezielt nicht so viel spielt, ist ein RPG immer ein Commitment. Denn ich brauche, bis ich mich auf ein Spiel einlassen kann und mich in die Mechaniken eingeackert habe. Und leider ist nicht jedes Spiel dies wert. Umso schöner ist es aber dann, wenn man in einem Spiel ankommt. „Bravely Default II“ für die Nintendo Switch* ist für mich so ein Spiel.
Willkommen in der Welt von „Bravely Default II“
Ähnlich wie beim „Final Fantasy“-Franchise handelt es sich hier zwar um ein Spiel aus der „Bravely“-Reihe, welches mit Spielmechaniken an die Vorgänger anknüpft, doch storytechnisch ist es eigenständig. Ich konnte ganz ohne Vorkenntnisse starten. Meinem Character erging es ähnlich. Denn zu Beginn des Spiels wacht er – Seth, ein junger Seemann – in einer fremden Welt auf, wo ihn die heimatlose Prinzessin Gloria gesund pflegt. Er weiß nicht genau, warum er hier ist, doch es scheint, als habe ihn einer von vier Element-Kristallen gerufen.
Gemeinsam mit dem trinkfreudigen Gelehrten Elvis und der Söldnerin Adelle bilden Seth und Gloria eine Gruppe und begeben sich auf die Suche nach den Kristallen. Diese sind verloren gegangen und scheinen nun in den verschiedenen Königreichen des Kontinents Schlimmes durch ihre elementaren Kräfte anzurichten.
Klingt nach einer geradlinigen Story. Ist es auch. Ein Kristall nach dem anderen wird gesucht. Dafür kämpfst du dich durch Dungeons und an Bossen vorbei.
Mag manchen zu vorhersehbar sein, für mich funktioniert das wunderbar, weil ich immer genau weiß, worauf ich gerade hinarbeite.
HD-2D…nicht
Games, die sich an klassischen JRPGs anlehnen, haben eine spezielle Zielgruppe. Das sind oft Leute wie ich, die alt genug sind, die Glanzzeit dieser Spiele noch bewusst erlebt zu haben hust die 90er hust, und nun einen kaum zu erfüllenden Anspruch haben: möglichst nostalgisch soll es sein, aber bitte auch hochmodern.
Hier kann ich nun nicht weitersprechen, ohne „Octopath Traveler“ zu erwähnen. Für dieses Switch Game hatte sich Square Enix einen neuen Style einfallen lassen, der mittlerweile sogar patentiert ist: HD-2D. Dabei trifft Pixelart auf zeitgemäße Effekte. Ein Fest für die Augen.
Dieser Style wurde jedoch nicht für das Cover-Artwork übernommen. Dort setzte man auf einen gezeichneten Aquarell-Stil, der jetzt auch wieder für „Bravely Default II“ zum Einsatz kam. Und mich auf einen ähnlichen In-Game-Style wie bei „Octopath Traveler“ hoffen ließ.
Vergebens. Den HD-2D-Stil vermisst man im Spiel leider schmerzlich. Ganz wie der Vorgänger „Bravely Default“ haben die Figuren einen Chibi-3D-Stil, der superniedlich ist, aber nicht unbedingt meine Definition von „ästhetisch“ trifft.
Wie das aber mit den sich ansammelnden Spielstunden immer so ist: Daran habe ich mich natürlich schnell gewöhnt und habe mittlerweile sogar Spaß daran, wenn meine Charaktere ihren Job wechseln (dazu gleich mehr) und somit ihr Outfit.
Immerhin die Stadt-Panoramen trumpfen mit der gezeichneten Aquarell-Ästhetik des Covers und der Promo-Bilder auf, weswegen ich immer gerne mal in den Panorama-View gehe, auch wenn ich ihn gerade eigentlich nicht brauche. 😉
Kindliches Design trifft erwachsene Story
Chibi-Style hat bei mir egal bei welchem Medium, ob nun Anime, Manga oder Game, oft den Effekt, dass ich die Geschichte erst einmal nicht so ganz ernst nehme. Ist ja schließlich alles sooo niedlich. Oder? ODER?
Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man bei japanischem Storytelling auf alles gefasst sein muss, ganz egal wie süß und harmlos etwas erscheinen mag. (Hui, hier brodeln „Made in Abyss“ und „Madoka Magika“-Traumata hoch.)
Auch bei „Bravely Default II“ darfst du dich nicht durch den kindlichen Look täuschen lassen. Die Story ist ernst und behandelt Themen wie Sehnsucht, Heimatlosigkeit und Verlust. Es wird intrigiert, gelogen und Rachegelüsten nachgegangen…zumindest von den Antagonisten. Dazu kommt eine gute Portion Humor. Vor allem in den optional abspielbaren Gruppengesprächen lernt man die Charaktere und ihre Hintergründe besser kennen.
Nostalgie und neue Ideen
„Bravely Default II“ bringt viel von klassischen JRPGs mit und damit eine angenehme Portion Nostalgie. Wer schon andere Spiele von Square Enix gespielt hat, dem kommen zum Beispiel die Namen der Zauber an vielen Stellen bekannt vor. Gekämpft wird rundenbasiert und für den nächsten Bosskampf geht man immer am besten erst Mal eine Runde leveln.
Das ist für mich ein arger Knackpunkt bei RPGs, an dem das Spiel mich gerne verliert. Viele Games zwingen deinen Charakteren Zufallsbegegnungen auf. Das ist in „Bravely Default II“ besser gelöst. Auf der Karte bewegt man sich frei und entscheidet selbst, ob man ein Monster angreift, oder doch lieber die Beine in die Hand nimmt, falls es auf einen zukommt. Ist die Differenz zwischen den eigenen Fähigkeiten und denen des Gegners zu hoch, flüchten die Monster sogar.
Das Brave-Default-System
Ein Aspekt des Kampfsystems ist sogar namensgebend für die Spielreihe. Denn bei jedem Zug steht dir frei, für deinen Character zu wählen: Du kannst
- normal eine Aktion ausführen,
- oder die Option „Default“ wählen, durch die du in den Verteidigungsmodus gehst und einen von bis zu drei „Brave“-Punkten sammelst,
- oder du gibst „Brave-„-Punkte aus, um mehrer Runden direkt hintereinander spielen zu können.
Der Clou ist ein gutes Handling dieser Optionen. Denn es steht dir sogar frei, mit den „Brave“-Punkten ins Minus zu gehen. Das bedeutet aber auch, dass du danach für einige Runden aussetzten musst, die du ja bereits auf Pump vorgezogen hattest.
Das Job-System
Im Laufe des Spiels werden nach und nach unterschiedliche Jobs freigeschaltet. Weist du einem Character einen Job zu, erhält er spezielle Fähigkeiten. So kann zum Beispiel ein Weißmagier heilen und schützen, ein Schwarzmagier mit elementaren Zaubersprüchen angreifen, ein Barde seine Kumpanen boosten usw.
Mit jedem Kampf sammeln deine Figuren nicht nur Erfahrung, um allgemein aufzusteigen, sondern zusätzlich erhältst du Job-Punkte. Durch diese steigt mit der Zeit dein Job-Level und du bekommst mehr und mehr Fähigkeiten dazu.
Unterschieden wird zwischen Haupt- und Nebenjob. Beide haben den gleichen Effekt auf deinen Character: er oder sie erhält die Skills der Job-Klasse. Sind ein Haupt- und Nebenberuf gewählt, so greifen auch beide Skillsets. Die gesammelten Job-Punkte werden allerdings nur auf den Hauptjob angewendet. Dessen Level verbessert sich also, während das des Nebenjobs gleich bleibt.
Mit anderen Worten levelst du eine neue Job-Klasse, indem du sie einer Figur als Hauptjob zuordnest. Sobald sie ein Level erreicht hat, mit dem du zufrieden bist (im Idealfall das Maximum Level 12), reicht es, diesen Job als Nebenberuf zuzuordnen, um die Fähigkeiten nutzen zu können. ALs Hauptberuf levelst du danach eine andere Job-Klasse.
Durch das wechseln von Jobs und die Kombination aus Haupt- und Nebenberuf kannst du die Fähigkeiten deines Teams jederzeit sehr dynamisch anpassen. Und wie gesagt wechseln dann auch die Outfits.
Tatsächlich könnte ich hier noch viel weiter in die Tiefe gehen. Denn die Jobs bringen auch noch passive Fähigkeiten mit und je nach Job sind andere Waffen besser für deinen Character geeignet. Taktiker und Optimierer können sich hier nach Lust und Laune austoben.
Grinden leicht(er) gemacht
Um schnell an Job-Punkte zu kommen, lässt sich eine weitere Besonderheit von „Bravely Default II“ nutzen: das Verketten von Kämpfen.
Befinden sich Monster in nächster Nähe von einander, wenn du sie auf der Karte angreifst, kommt es zu einer Kettenreaktion und du spielst gleich mehrere Kämpfe hintereinander. Je mehr dies sind, umso höher fällt der Bonus-Multiplikatior für deine Job-Punkte aus. Deshalb: so viele Monster wie möglich anlocken, am Stück bekämpfen und Punkte sammeln.
Auch das Brave-Default-System erweist sich als sehr nützlich, wenn man gegen schwache Monster kämpft. Schließlich erlaubt es jedem Character gleich zu Anfang in die Miesen zu gehen mit den Brave-Points und vier Mal anzugreifen. Wenn das reicht, um den Gegner zu besiegen, ist der Kampf schnell erledigt.
Im Vergleich mit „Octopath Traveler“ gewinnt „Bravely Default II“
Wie oben schon angedeutet, bin ich ein „Slow Gamer“. Ich nehme mir für Spiele Zeit, zocke eigentlich immer nur eins und nicht mehrere parallel, ich fuchse mich so richtig ein. Das dauert, das ist eine Entscheidung.
Im letzten Herbst fiel meine Entscheidung auf „Octopath Traveler“. Mein Freund hatte es aus einer Laune heraus gekauft und ich mich sofort sowohl ins Cover als auch das HD-2D-In-Game-Design verliebt. Ich wollte es so sehr mögen, mich beim Weglegen der Switch schon darauf freuen, bald weiterzuspielen. Nun ja, leider hatte das nicht für mich funktioniert.
Nun, da ich den direkten Vergleich mit „Bravely Default II“ habe, weiß ich auch warum. Es waren viele Kleinigkeiten: aufgezwungene Zufallsbegegnungen mit immer wieder gleichen Monstern, denen man nicht entgehen konnte. Das endlose, repetitive Grinden, bis ein Boss endlich zu schaffen war. Und dann diese geniale Idee mit den acht Charakteren, die einem die freie Wahl ließen, in welcher Reihenfolge man ihre Geschichten spielte…die in der Ausführung leider sehr langweilig geraten ist. Es kam zu keiner richtigen Verflechtung der Storylines, die Gruppe wirkte wahllos zusammengewürfelt. Und dann musste ich auch noch immer alle gleichmäßig leveln, obwohl nur ein Teil davon immer in der Gruppe sein konnte. Sowas verdirbt mir den Spaß.
„Bravely Default II“ ist, was die Charaktere angeht, überschaubarer. Die Truppe bleibt mit Seth, Gloria, Elvis und Adelle die gleiche. Abwechslung bringt dafür dann das Job-System, durch das die Konstellation immer wieder neu wirkt, ohne dass neue Figuren eingeführt werden.
Sicher, die Musik ist nicht ganz so gut, die Welt nicht ganz so schön und vom Character-Design reden wir erst gar nicht nochmal. Und doch ist „Octopath Traveler“ der beste Beweis dafür, dass gutes Design allein nicht reicht, wenn es an der Spielmechanik hapert.
Mein Fazit zu „Bravely Default II“
Vielleicht wäre jemand anders die Story zu vorhersehbar, die vier fixen Charaktere zu wenig, das Steigern des Job-Levels ein unnötiger Zusatzaufwand und das Character-Design zu niedlich, um das Spiel ernst zu nehmen. Aber für mich funktionieren bei „Bravely Default II“ alle Elemente in Kombination einfach richtig gut, obwohl ich das anfangs vor allem durch den Chibi-Style nicht gedacht hatte.
Geradlinig mit genau der richtigen Tiefe, um interessant zu bleiben, aber nicht zu komplex zu werden. Vielleicht doch gar nicht so weit weg von dem, was ich an „Hack and Slay“ so mag. 😉
PS: Es muss einfach noch gesagt werden, dass „Bravely Default II“ trotz der Ziffer im Namen das dritte Spiel aus der Reihe ist. Muss man nicht verstehen…aber vielleicht doch wissen. 🙃
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Bravely Default II
Plattform: Nintendo Switch
Franchise: Bravely
Genre: Klassisches JRPG
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