Warst du in einem fremden Land schon einmal auf einem Friedhof? Manch einer mag es vielleicht als morbide empfinden, aber ich finde es sehr spannend. Einer der ältesten Friedhöfe Tokios ist der Yanaka Reien. Dort liegen unter anderem berühmte Persönlichkeiten wie Autorin Fumiko Enchi oder der letzte Tokugawa Shogun begraben. Im Frühling verwandelt das riesige Gelände sich in ein Kirschblütenmeer. Der Yanaka-Friedhof ist aber auch zu jeder anderen Jahreszeit einen Besuch wert. Ich besuchte die letzte Ruhestätte vieler Japaner mit insgesamt 7.000 Gräbern im Januar 2018, an einem grautristen Tag, wie es nicht passender für einen Besuch auf einem japanischen Friedhof sein könnte.
Faszination Friedhof
Aber wieso einen Friedhof in Japan (oder jedem anderen fremden Land) besuchen? Diese Neugierde beruht auf zwei Grundlagen: erstens bin ich vom Land und kannte nur unseren kleinen, halbwegs modernen Dorffriedhof. Große Friedhöfe, wie man sie in Millionenstädten findet (mit uralten, moosbewachsenen Grabsteinen oder einer Infrastruktur, die eigene Buslinien beinhaltet), sind für mich neu und faszinierend. Des Weiteren besuchte ich an der Uni ein Seminar, in dem wir das Thema Tod in Japan behandelten. Dadurch wie Menschen ihre Toten behandeln, kann man viel über ein Volk lernen.
Als ich 2009 das erste Mal nach Japan kam und meine Wohnung bezog, war mein erster Blick aus dem Fenster mit Erstaunen verbunden: Ausblick auf einen Friedhof, ganz ohne eingrenzende Sichtschutzmauern. Die Gräber waren einfach mittendrin im Wohngebiet, die Toten gehörten auf eine Art und Weise immer noch dazu. Diese fehlende Scheu vor der Thematik Tod und die wichtige Rolle der Ahnen im Alltag gefielen mir.
Seitdem habe ich in Japan viele Gräber gesehen – mal üppig mit tropischen Blumen geschmückt auf Yakushima, mal marode, moosüberwuchert und nahezu magisch auf dem Koya-san. Als ich also den Yanaka-Friedhof als Empfehlung im Reiseführer fand, stand mein Tagesausflug für diesen Tag schnell fest.
Der Yanaka-Friedhof mitten in Tokio
Das Einzugsgebiet von Tokio bildet den Lebensraum für insgesamt 38 Millionen Menschen, und das auf beschränktem Raum. Da wird es schon mal eng, nicht nur für alle, die hier ihrem Alltag nachgehen, auch für Touristen. Wann immer ich in Tokio bin, bekomme ich nach wenigen Tagen, obwohl ich die Stadt sehr liebe, einen leichten Koller. Da wird mir alles zu grell, zu laut, kurzum zu viel. Deshalb sind Rückzugsorte so wichtig. Eine davon ist sicher der Meiji-Schrein oder auch der Ueno-Park, aber auch den Yanaka Reien bildet mit 10 Hektar Grundfläche eine eine stattliche Fläche grün…oder eben weiß-rosa zur Kirschblüte. Der Friedhof hat sogar eine eigene kleine Polizeistation.
In Japan ist es Brauch, die Toten zu verbrennen. Die Urne kommt ins Familiengrab oder in eine wie auch bei uns bekannte Urnengrabmauer. Dabei sehen die Gräber ganz anders aus als bei uns. Da niemand eingegraben wird, fehlt der Erdhügel, auf dem bei uns Blumen und Sträucher gepflanzt werden. Stattdessen ist alles in Stein gehalten und Blumen werden in Vasen an die letzte Ruhestätte der Verschiedenen gestellt.
Da der Shintoismus den Tod als etwas unreines ansieht, wird übrigens buddhistisch gestorben (es gibt den Spruch in Japan, man würde shintoistisch geboren, heirate christlich und sterbe buddhistisch). Daher auch die vielen, langen Holztafeln, sotōba genannt. Sie zeigen Inschriften in Kanji und Sanskrit: Sutren und den posthumen Namen des Verstorbenen.
Zusatztipp: Tokio zu Fuß erkunden
Der Yanaka-Friedhof liegt an der Yamanote-Ringline-Station Nippori, nur zwei Stationen von Ueno entfernt. Ein Besuch auf dem Yanaka Reien bietet sich an für einen anschließenden Spaziergang durch die Straßen mit einer Schale Grüntee, traditionellen Süßigkeiten und dem Ueno Park als Endziel bzw. Startpunkt für weitere Erkundungen.
Ich habe eine Karte für dich vorbereitet:
- Startpunkt ist der Bahnhof Nippori.
- Danach geht es zu Fuß zum Tennoji Tempel auf dem Friedhofsgelände.
- Auf dem Friedhof kannst du dann schlendern und erkunden wie es dir beliebt. Das Grab des letzten Tokugawa Shoguns habe ich markiert.
- Danach geht es zu Fuß in Richtung Ueno Park. Natürlich kannst du auch hier frei durch Seitengassen schlendern und einen weniger direkten Weg nehmen, doch ich empfehle dir bei Tourindou auf eine Schale Tee einzukehren. Dazu suchst du dir eine der tollen japanischen Süßigkeiten aus, wagashi genannt, die du mit deinem Tee serviert bekommst.
- Dein Ziel ist der Ueno Park, in dem es unendlich viel zu entdecken gibt: zum Beispiel einen Zoo, großartige Museen, Schreine, Tempel, Kirschblüten und Tretboote in Schwanenform.
Viel Spaß beim Schlendern!
Weiterführende Links & Infos
Yanaka Friedhof
- Eintritt: frei
- Öffnungszeiten: täglich 8:30–17:15
- Webseite des Yanaka Reien
Tourindou Süßwarenladen
- Öffnungszeiten: Di–So 9:00–17:00 (das Café hat nur bis 16:00 Uhr geöffnet)
- Webseite von Tourindou
Ueno Park
- Eintritt: frei
- Öffnungszeiten: täglich 5:00–23:00
- Webseite des Ueno Parks mit einer Überischt aller Museen etc. auf dem Gelände
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