"Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" von Mia Kankimäki ist im btb-Verlag auf Deutsch erschienen.

„Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ – Mia Kankimäki [Rezension]

„Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ wurde mir freundlicherweise vom btb Verlag zur Verfügung gestellt.

Japanische Literatur? Ein Einblick ins Leben am kaiserlichen Hof der Heian-Zeit? Dann musst du dich einfach mit der „Geschichte vom Prinzen Genji“, dem angeblich ersten Roman der Welt, von Murasaki Shikibu beschäftigen. Ja, gut, aber was ist eigentlich mit dem „Kopfkissenbuch“ der Hofdame Sei Shōnagon? Kein Roman, aber ein Tagebuch aus derselben Zeit, sogar ein paar Jahre früher. Gibt das nicht sogar einen viel besseren Einblick? Das dachte sich auch die Finnin Mia Kankimäki, als sie 2010 vor der dringenden Entscheidung steht, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen möchte. Denn weitergehen wie bisher kann es nicht. Deshalb beschließt sie, nach Kyōto zu reisen und sich auf die Spuren von Sei Shōnagon und deren „Kopfkissenbuch“ zu begeben. Und das, obwohl ihr von überall nur „Die Geschichte vom Prinzen Genji“ entgegen brüllt. Eine Wissenschaftslücke, die Kankimäki zu füllen versucht. Dabei ist sie nicht mal Wissenschaftlerin. Ob das gut gehen kann?


Dinge, die das Herz höher schlagen lassen
Mia Kankimäki
Übersetzt von Stefan Moser

btb Verlag
ISBN: 978-3442719341

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„Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ von Mia Kankimäki

Mia Kankimäki ist „mittelalt, männerlos und kinderlos“ (S. 9, Kankimäki, btb, 2021), als ihr klar wird, dass sie ihr bisheriges Leben nicht erfüllt. Ja, sogar zu Tode langweilt. Was sie nun anfangen soll, weiß sie zunächst selbst nicht, bis sich eine leise Stimme in ihr regt, die ihr ein Buch in Erinnerung ruft, das sie seit ihren Jugendtagen fasziniert: „Das Kopfkissenbuch“. Die Hofdame Sei Shōnagon, die das Tagebuch vor über 1000 Jahren verfasste, während sie der Kaiserin diente, fühlt sich wie eine Seelenverwandte für Kankimäki an. Vor allen Dinge eine, über die es viel zu wenige Informationen in westlicher (und, wie sich später herausstellen wird, auch in japanischer) Sprache gibt.

Ein bisschen Sitzfleisch muss man für den 500-Seiten-Wälzer schon mitbringen.
Ein bisschen Sitzfleisch muss man für den 500-Seiten-Wälzer schon mitbringen.

Es fühlt sich wie eine nicht zu verwirklichende Schnapsidee an, als Werbetexterin, die kein Japanisch spricht und keine Japanologin ist, nach Kyōto zu fliegen und ein Sachbuch über Sei Shōnagon zu schreiben. Doch genau das macht Kankimäki. Sie treibt Stipendien auf, eine billige, von Kakerlaken heimgesuchte Unterkunft und vereinbart eine Auszeit vom Job. Dann kann es losgehen.

Sie hat viele Ängste und Zweifel im Gepäck, als sie Finnland verlässt. Doch zum ersten Mal seit Jahren auch wieder so etwas wie Lebensfreude.

Die Finnin Mia Kankimäki ist für "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" ihrem Bauchgefühl gefolgt und für ein paar Monate nach Kyōto gezogen.
Die Finnin Mia Kankimäki ist für „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ ihrem Bauchgefühl gefolgt und für ein paar Monate nach Kyōto gezogen.

Der erste Abatz

„Damit fängt es an. Ich bin meines Lebens überdrüssig. Ich langweile mich so sehr, dass ich sterbe. Ich langweile mich so sehr, dass ich sterben könnte, wenn ich es über mich brächte und die Kraft dazu hätte.“ (S. 9, Kankimäki, btb, 2021)

Meine Meinung

Mia Kankimäki hat meinen Respekt. Als Nicht-Japanologin, die nicht im akademischen Bereich arbeitet, Stipendien zum Verfassen eines Sachbuchs zu beantragen…ich hätte es vermutlich nicht einmal versucht. Ihr Mut wurde belohnt und ich als Leser dafür mit ihrem „Sachbuch“. Obwohl ich damit hadere, ob dies überhaupt die passende Bezeichnung für „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ ist.

Angelehnt an das Werk ihres Vorbilds, schreibt Kankimäki im Tagebuchstil. Eingestreut dazwischen finden sich immer wieder passende Auszüge aus Sei Shōnagons vielen Listen, von denen auch eine namensgebend für „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ ist. Die Autorin erzählt von ihrem Entschluss, nach Japan zu gehen, wie sie dies organisiert und vor allem natürlich auch von ihren Erfahrungen und Nachforschungen dort. Vieles davon sind persönliche Reflexionen, die sie aber immer wieder geschickt mit all dem verwebt, was sie über Sei Shōnagon in Erfahrung bringen kann.

Das Buch hat ein tolles Coverdesign, sieht aber leider nach einmal lesen schon schrabbelig aus.
Das Buch hat ein tolles Coverdesign, sieht aber leider nach einmal lesen schon schrabbelig aus.

Nichts davon ist trocken und langweilig, wie das oft bei anderen Sachbüchern der Fall ist. Kankimäkis Schreibe ist witzig, ehrlich und mitreißend. Ich konnte mich ab den ersten Zeilen komplett mit ihr identifizieren und fand die wissenschaftlichen Informationen gut aufbereitet und gekonnt eingebettet. Von denen gibt es einige, schließlich möchte das Buch ja ein Sachbuch sein. Wenn du also keinerlei Interesse am Japan der Heian-Zeit hast und nur einen Reisebericht lesen möchtest, ist „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ nicht das richtige für dich. Für mich machte das Vergnügen beim Lesen jedoch genau diese Mischung aus gut recherchierten Infos, die unterhaltsam verpackt sind, und die Beschreibungen des Alltags in Kyōto aus.

Was zuerst lesen: “ Das Kopfkissenbuch“ oder „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“?

Schon während dem Lesen trieb mich die Frage um, welche Empfehlung ich wohl hinsichtlich der Lesereinhefolge geben soll. Macht es Sinn, vorab „Das Kopfkissenbuch“ zu lesen, oder ist es gar nicht nötig und du kannst es bei erwachter Neugierde hinterherschieben?

Zwei Bücher, die zusammengehören: "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" und "Das Kopfkissenbuch".
Zwei Bücher, die zusammengehören: „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ und „Das Kopfkissenbuch“.

Tatsächlich gehen meiner Meinung nach beide Varianten. Ich kannte das „Kopfkissenbuch“ bereits und fand es sehr spannend, mehr Hintergrundinfos und eine Einordnung dazu zu bekommen. Mia Kankimäkis Buch ist eine tolle Ergänzung. Einzig anstrengend stelle ich es mir vor, beide Bücher direkt im Anschluss aneinander zu lesen, da Sei Shōnagons Werk wirklich ausschweifend zitiert wird und man somit viele Passagen in kurzem Zeitabstand doppelt liest.

Andersrum finde ich nicht, dass es nötig ist, „Das Kopfkissenbuch“ vorab zu lesen. Die finnische Autorin erklärt ausführlich und verständlich, worum es im Original geht. Gefällt dir allerdings Kanimäkis „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“, bin ich mir sicher, dass es danach interessant ist, „Das Kopfkissenbuch“ mit all den gewonnen Hintergrundinfos zu lesen.

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Dinge, die das Herz höher schlagen lassen
Mia Kankimäki
Übersetzt von Stefan Moser

btb Verlag
ISBN: 978-3442719341

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Fazit zu „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ von Mia Kankimäki

Da das Buch auch im Rahmen meines Buchclubs für japanische Literatur – den Japanliebe Leseratten – gelesen wurde, konnte ich sehen, dass es nicht jedermanns Fall ist. Ich behaupte: bereits nach der ersten Seite weißt du, ob dir Kankimäkis Stil gefällt oder nicht. Ist dir das zu ausschweifend oder persönlich, ist das Buch nichts für dich. Kannst dud ich jedoch wie ich mit der Autorin identifizieren, wirst du viel Freude daran haben, mit ihr zu erleben, wie sie sich zurück in ein Leben voller Erfüllung und Lebensfreude kämpft, in dem sie ganz nebenbei auch noch jede Menge interessanter Infos über Sei Shōnagon und das Leben der Heian-Zeit einsammelt. Für mich eines der größten Lesevergnügen dieses Jahr.

Hast du das Buch gelesen? Lass mir gerne einen Kommentar da, wie es dir gefallen hat.

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