Am Kannon-ji-Tempel in Ōfuna wird kurz vor Jahreswechsel klar Schiff gemacht.

Großreinemachen in Japan zu Neujahr

Jedes Jahr kurz vor Silvester beginnen die Japaner mit ō-sōji 大掃除 – dem Neujahrsputz. Egal ob am Arbeitsplatz, in der Schule, an Schreinen und Tempeln oder zu Hause. Es werden Besen, Putzlappen und Staubwedel ausgepackt und alles in Schuss gebracht, schließlich steht das wichtigste Familienfest des Jahres bevor.

Das Großreinemachen dient aber nicht nur dazu, dass alle sich rund um Silvester in den eigenen vier Wänden wohl fühlen. Früher hatte der Brauch einen ganz praktischen Nutzen. Und obendrein wird so alles bereit gemacht für einen besonderen Besuch…den einer Gottheit.

ō-sōji – es wird geputzt

Rund um Neujahr in Japan gibt es diverse Bräuche, die natürlich nicht alle von jeder Familie zelebriert werden. ō-sōji ist einer der weitverbreitetsten. Er findet nicht nur im privaten Raum statt, sondern auch im öffentlichen.

Im Büro wird vor Jahresende noch einmal der Schreibtisch ausgemistet und der Boden in der Schule besonders gut gewischt (japanische Schüler müssen generell das ganze Jahr ran und das Schuldgebäude sauber halten).

An einem Tempel in Ofuna wird für Neujahr geschmückt.
An einem Tempel in Ofuna wird für Neujahr geschmückt.

Spektakulär wird das Ganze bei der Reinigung von Tempeln und Schreinen (der große Buddha in Nara ist zum Beispiel so groß, dass der putzende Mönch im Nasenloch der Figur zu verschwinden scheint) und auch Burgen.

In Himeji rücken extra Helfer der Selbstverteidigungskräfte an, um die Fassaden, Dächer und den Burggraben des Schlosses in einen strahlenden Zustand zu bringen. Dafür seilen sie sich, mit extra langen Besen bewaffnet, die Firste und Mauern hinab. Im ersten Moment ein Bild wie aus einem Film über Ninjakämpfer.

Ungünstige Tage für den Hausputz in Japan

Traditionell fällt der Startschuss für ō-sōji am 13. Dezember. Doch die meisten Haushalte kümmern sich in der letzten Woche vor dem Jahreswechsel darum.

Wer alles richtig machen möchte, sollte dabei aber beachten, dass nicht alle Tage gleich gut dafür geeignet sind. Zumindest, wenn man abergläubisch ist.

Schlechte Tage für den Hausputz sind:

  • der 29. Dezember, da die Zahl Neun 九 auf Japanisch ku gelesen werden kann, was die selbe Aussprache hat wie das Schriftzeichen 苦 (dt. Leiden, Schmerz Kummer)
  • der 31. Dezember, denn wer so spät dran ist, macht bei den Göttern den Eindruck, es schludrig auf den letzten Drücker zu erledigen
  • der 1. Januar, da der Volksglaube sagt, an Neujahr würde man das frische Glück gleich wieder hinausputzen

Die Geschichte des Neujahrsputzes in Japan

Die Tradition des ō-sōji gibt es schon seit der Heian-Zeit (794–1185). Damals wurde festgelegt, dass einmal im Jahr der kaiserliche Palast gründlich gereinigt werden sollte. Dies geschah vor allem aus der Not heraus, denn durch die offenen Feuerstellen dieser Zeit bildete sich übers Jahr eine unansehnliche Rußschicht.

In "Mein Nachbar Totoro" ist das neue Haus der Familie Kusakabe zu Beginn mit Rußmännchen bewohnt. (Foto: Studio Ghibli)
In „Mein Nachbar Totoro“ ist das neue Haus der Familie Kusakabe zu Beginn mit Rußmännchen bewohnt. (Foto: Studio Ghibli)
Das Haus in "Mein Nachbar Totoro" hata uch dringend ein Großreinemachen nötig. (Foto: Studio Ghibli)
Das Haus in „Mein Nachbar Totoro“ hata uch dringend ein Großreinemachen nötig. (Foto: Studio Ghibli)

In der Kamakura-Zeit (1185–1333) schwappte der Brauch auf Tempel und Schreine über und mit der Edo-Zeit (1603–1868) verbreitete er sich auch in Privathaushalten. Der 13. Dezember wurde der Stichtag für die gründliche Staub- und Rußentfernung.

Ein Gott dreht zu Neujahr seine Runden

Das ganze Großreinemachen hat aber nicht nur einen praktischen Nutzen. Zusätzlich dient es dazu, das Haus für Ankunft der Neujahrsgottheit vorzubereiten.

Toshigami-年神 (dt. „Jahresgottheit“) ist nach japanischem Glauben zuständig für Getreide und damit eng mit der Natur und dem Kreislauf von Ende und Wiedergeburt verknüpft. Zu Beginn des Jahres betete man Toshigami-sama an und bat um eine reiche Ernte. So wurde er zum zentralen Gott der Neujahrsfeierlichkeiten.

Ein kadomatsu-Bambus-Gesteck ist eine traditionelle Neujahrsdekoration.
Ein kadomatsu-Bambus-Gesteck ist eine traditionelle Neujahrsdekoration. Es soll den Gott Toshigami-sama anlocken.

Er besucht und segnet jedes Haus, das sauber geputzt ist und ihn mit entsprechender Neujahrsdekoration anlockt. Außerdem glaubte man früher, dass er alle Bewohner des Haushalts ein Jahr älter machte, da in Japan vor Einführung des gregorianischen Kalenders das Alter einer Person anhand erlebter Neujahrsfeste gezählt wurde.

Auch der Zeitpunkt der Neujahrsfeierlichkeiten verschob sich durch die Abwendung vom chinesischen Mondkalender hin zum gregorianischen Kalender. Ursprünglich verehrte man Toshigami zu Frühlingsbeginn, was daran festgemacht wurde, wann die Pflaumenbäume blühten. So kommt es, dass viele Neujahrskarten Pflaumenblüten zeigen und manche Neujahrsgrüße das Schriftzeichen für Frühling beinhalten.


Während man in unserem Kulturkreis nur einen Frühjahrsputz kennt, gefällt mir persönlich die japanische Interpretation als Jahresendputz sehr gut. Wie auch beim Brauch der Jahresendfeier wird vor Jahreswechsel das Alte gebührend verabschiedet und Platz gemacht für Neues. In dem Sinn hole ich jetzt mal meine Putzutensilien aus dem Schrank. Denn wie auch schon 2020 sind wir vermutlich alle 2021 gerne los. Auf ein besseres 2022.

Quellen und weiterführende Links zum Thema „ō-sōji

R-osouji: 年末大掃除とは? (jap.)
Grape: Invite the new year into your home with the Ōsōji cleaning ritual (engl.)
Japanese Wiki Corpus: Toshigami (engl.)
Asienspiegel: Die Reinigung der Burg von Himeji

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