Donk, donk, donk, donk…ein ungewöhnlicher Klang halt durch die verwinkelten Gänge der überdachten Markthallen in Gyeongju, Südkorea. In Japans Nachbarland habe ich die erste Begegnung mit einem „Holzfisch“, einer hölzernen Trommel, durch die ein buddhistischer Bettelmönch an diesem Abend kurz vor Ladenschluss auf sich aufmerksam macht. Ich muss nur dem rhythmischen Geräusch folgen, um einen Blick auf den Wanderpriester erhaschen zu können, der bei den ansässigen Geschäftsleuten um Almosen bittet. Immer wenn das donk, donk, donk für einen Moment verstummt, weiß ich, dass der Mönch ein paar Münzen für seinen Beutel bekommen hat und sich verbeugend bedankt. Dann geht es auch schon weiter: donk, donk, donk…
In Japan sieht man Bettelmönche selten. Holzfische hingegen kannst du mit aufmerksamem Auge an so manchem Zen-Tempel entdecken. Es gibt sie in allen erdenklichen Größen und zwei Ausführungen. Zumindest eine davon macht ihrem Namen alle Ehre.
Ein „Fischbrett“ bestimmt den Tagesablauf
Als ich zwei Jahre später in der Stadt Hagi am Tōkō-ji-Tempel stehe und einen großen hölzernen Fisch fotografiere, weiß ich noch nicht, dass es sich hierbei um einen Artverwandten des Instruments handelt, mit dem der Bettelmönch in Südkorea auf sich aufmerksam gemacht hatte. Das mit vielen Details geschnitzte Tier hängt vor mir von der Decke in einem überdachten Außengang des Tempels und hält mit seinem Maul fest eine Kugel umschlossen.
Der Fisch sieht nicht nur schön aus, sondern erfüllt für die im Tempel lebenden Mönche auch eine Funktion: der Holzfisch mokugyo 木魚 wird wie ein Gong geschlagen, wenn es zum Beispiel Essen gibt, und strukturiert so den Alltag der Geistlichen.
Die Kugel im Maul steht dabei für die weltlichen Begierden, die der Fisch loslässt und ausatmet, indem man ihm auf den Rücken schlägt.
In dieser Form, die tatsächlich einen kompletten Fisch repräsentiert, sprechen die Japaner auch von einem „Fischbrett“ gyoban 魚板.
Der Holzfisch hält wach
Neben dem „Fischbrett“ gibt es die weiter verbreitete Form des „Holzfisches“, ebenfalls mokugyo genannt. Hier muss man allerdings schon wissen, dass es sich um einen Fisch handeln soll, damit man es auch erkennt. Diese Glocke erinnert in ihrer Form eher an eine klassische Schelle oder Schlittenglocke. Aus einem Holzblock wird eine Kugel herausgearbeitet und durch einen Schlitz innen ausgehöhlt, sodass ein Klangkörper entsteht. An dieser Glocke befindet sich ein Griff, der meist zwei einander zugewandte Fischköpfe darstellt, die wie ihr länglicher Bruder eine Art Perle zwischen ihren Mäulern halten.
Holzfische gibt es in sehr klein mit wenigen Zentimetern Durchmesser bis hin zu über einem Meter Größe. Eine der größten Fischglocken Japans kannst du im Hase-dera-Tempel in Kamakura sehen. mokugyo werden für gewöhnlich auf einem Kissen liegend mit einem von Stoff umwickelten Schlägel gespielt, während Sutras rezitiert werden. Aber warum eigentlich?
Zum einen natürlich, um den Rhythmus anzugeben. Zum anderen aber, damit die Mönche bei der repetitiven Beschäftigung nicht müde werden und einnicken. Mönche sind schließlich auch nur Menschen. Dass dieses Thema ein wichtiges ist, wissen wir spätestens, seit sich Bodhidharma, auf den der Zen-Buddhismus zurückgeführt wird, der Legende nach die Augenlider abschnitt, nachdem er beim Meditieren eingeschlafen war.
Vermutlich hat man deshalb auch eine Fischform für das religiöse Instrument gewählt. Die Tiere haben nämlich keine Augenlider und sind somit ein Symbol für Wachsamkeit.
Der mokugyo Holzfisch heute
In Japan werden die mokugyo Holzfische ausschließlich in der Präfektur Aichi hergestellt. (Hätte ich das mal gewusst, als ich dort gelebt habe, vielleicht wäre eine Besichtigung möglich gewesen 🤔) Um einen besonders guten Klang zu erzielen, muss das Holz drei bis zehn Jahre getrocknet werden. Durch die aufwendige Herstellung sind mokugyo entsprechend teuer und mehr und mehr Holzfische werden günstig aus China importiert.
In erster Linie findet sich der Holzfisch in seiner natürlichem Umgebung: dem Tempel. Aber auch im Kabuki-Theater begegnet dir der charakteristische Klang. Und nicht nur dort. Selbst in die Klassik, modernen Jazz und J-Pop-Songs hat der Sound des Holzfisches es geschafft.
Kein Wunder, hat das rhythmische doch etwas Meditatives. Ursprüngliches. Umso mehr ärgere ich mich, keinen gekauft zu haben, als ich in Südkorea auf einem Flohmarkt die Möglichkeit dazu hatte. Doch die alte Dame lies einfach nicht mit sich handeln. Und du weißt, das gehört für mich auf dem Flohmarkt einfach mit dazu. Doch wer weiß, vielleicht zieht doch noch eines Tages ein Holzfisch bei mir ein. Wenn sich wieder die Gelegenheit ergibt, greife ich zu.
Quellen und weiterführende Links
Wikipedia: Holzfisch
Wikipedia: 木魚
Japanische Kunst und Kultur: Typisch japanische Dinge (11): Ho (Hou) und Mokugyo
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0 Kommentare zu “Was macht der Holzfisch am Tempel ODER Mönche sind auch nur Menschen”