Der Konpira-sha Ensei-ji in Hagi, teils Tempel, teils Schrein.

Verflechtung von shintō und Buddhismus in Japan

Räucherstäbchen? Check. Bodhisattva-Statuen? Check. Eindeutig ein buddhistischer Tempel. Aber halt, warum sind da ein torii-Schreintor und shide-Zickzackstreifen, typische Merkmale eines shintō-Schreins? Reden wir über eine der kuriosesten Statistiken, wenn es um Japan geht: So fühlten sich 2020 70,5 % der Inselbewohner der indigenen Religion Shintoismus zugehörig, gleichzeitig mit 67,2 % fast genauso viele dem Buddhismus. Eine Rechnung, die scheinbar nicht aufgeht. Aber natürlich ganz einfach zu erklären ist, da die Religionen sich gegenseitig nicht ausschließen. Und auch eine bis ins 6. Jahrhundert zurückreichende gemeinsame Vergangenheit haben. Diese erklärt auch, warum es oft gar nicht so einfach zu erkennen ist, ob man sich gerade an einem Schrein oder Tempel befindet. 

Gemeinsame Vergangenheit der japanischen Religionen

Die Verflechtung von shintō und Buddhismus in Japan hat eine lange und komplexe Geschichte.Der Shintoismus ist die indigene Religion Japans und betont die Verehrung von kami, göttlichen oder spirituellen Wesen, die in Elementen der Natur wie Felsen oder Bäumen, Objekten wie Spiegeln und Ahnen existieren. Buddhismus hingegen wurde im 6. Jahrhundert n. Chr. von China nach Japan eingeführt und brachte neue religiöse Vorstellungen und Praktiken mit sich.

Im Laufe der Jahrhunderte fand eine enge Verbindung zwischen shintō und Buddhismus statt, wobei sich gegenseitige Beeinflussungen und Synkretismus entwickelten. Ein wesentliches Merkmal dieser Verflechtung ist die Idee der shinbutsu shūgō (神仏習合), was wörtlich „Verschmelzung von shintō und Buddhismus“ bedeutet.

Ein herausragendes Beispiel für diese Synthese ist die Gründung von buddhistischen Tempeln auf shintō-Schrein-Geländen und umgekehrt. Diese Praxis, bekannt als Bunrei (分霊), beinhaltet die Übertragung des Geistes eines Kami in eine buddhistische Gottheit oder umgekehrt. Ein Beispiel ist die Verehrung von Kriegsgott Hachiman im shintō, der aber auch im Buddhismus als Beschützer verehrt wird. So befinden sich viele Hachiman-Schreine neben buddhistischen Tempeln. Aber generell wirst du in Japan oft auf dem Gelände von Tempeln kleine Nebenschreine finden. Am auffälligsten sind jene für den Reisgott Inari mit den vielen roten Toren.

Den Eingang zum Tennō-ji-Tempel ziert ein ein „torii“-Schreintor.
Den Eingang zum Tennō-ji-Tempel ziert ein ein „torii“-Schreintor.

Die Trennung von Shintoismus und Buddhismus in Japan

shinbutsu bunri (神仏分離) ist der japanische Fachbegriff für die Trennung von shintō und Buddhismus während der Meiji-Restauration im 19. Jahrhundert. Die Regierung wollte den Einfluss der buddhistischen Institutionen auf den Staat reduzieren und eine strikte Trennung von Religion und Staat durchsetzen. Dabei wurden buddhistische Elemente aus shintō-Schreinen entfernt und buddhistische Tempel aufgelöst oder in staatliche Institutionen umgewandelt.

Diese politische Maßnahme hatte weitreichende Auswirkungen auf die religiöse Landschaft Japans und führte zu Spannungen zwischen Anhängern beider Religionen. Die shinbutsu bunri-Politik sollte die staatliche Kontrolle über religiöse Angelegenheiten stärken und die Modernisierung Japans vorantreiben. Dennoch bleibt die Verflechtung von shintō und Buddhismus in vielen Aspekten des japanischen Glaubens und der Kultur weiterhin präsent.

Obwohl es sich beim Toyokawa Inari um einen Tempel handelt, wird hier eine shintoistische Gottheit verehrt und die Elemente der Religionen vermischen sich. Deshalb gibt es auf dem Gelände mehrere Schreintore.
Obwohl es sich beim Toyokawa Inari um einen Tempel handelt, wird hier eine shintoistische Gottheit verehrt und die Elemente der Religionen vermischen sich. Deshalb gibt es auf dem Gelände mehrere Schreintore.

Das aktuelle Zusammenspiel von shintō und Buddhismus in Japan

Die Geschichte der beiden Hauptreligionen Japans erklären so manch wilde Mischung an shintoistischen und buddhistischen Elementen an Schreinen und Tempeln. Dennoch sind die heiligen Stätten in der Regel einer Religion zugeordnet. Ausnahmen gibt es nur noch wenige. Beispiele sind der Toyokawa Inari und der Konpira-sha Ensei-ji in Hagi, der das Titelbild des Artikels ziert.

Im Alltag der Japaner zeichnet sich ein Zusammenspiel der Religionen dadurch ab, dass sowohl shintō als auch Buddhismus unterschiedliche Lebensbereiche abdecken. Als Daumenregel kannst du dir merken, dass alle freudigen Feste und Übergangsriten des Lebens inkl. Heirat an shintō-Schreinen gefeiert werden, während für den Tod – eine unreine Angelegenheit im shintō – der Buddhismus zuständig ist. Eine Symbiose, die seit vielen Jahrhunderten in Japan gut funktioniert.

Quellen und weiterführende Links

Wikipedia: Religion in Japan (engl.)
Wikipedia: Shinbutsu bunri (engl.)
Religion in Japan Portal


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Kategorien Alltägliches

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Ich bin Elisa, Japan ist meine große Liebe und hier erzähle ich davon. Gerade habe ich meine erste Japanliebe-Gruppenreise durch Japan geführt und lebe nun bis Ende des Jahres in Tōkyō. Was für ein Abenteuer!

1 Kommentar zu “Verflechtung von shintō und Buddhismus in Japan

  1. Sehr schön beschrieben
    Danke

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