Meine Handykamera läuft. Ich gehe auf die Knie, robbe durch die Öffnung im Stein, mein Oberteil bleibt hängen und halb entblößt komme ich auf der anderen Seite wieder heraus. Dann noch einmal retour. Auf keinen Fall werde ich dieses Video jemals auf Social Media posten. Aber das ist auch zweitrangig. An den Yasui Konpira-gū (安井金比羅宮) kommst du, wenn du schlechte Verbindungen in deinem Leben lösen und gute festigen möchtest. Und deshalb unterziehe auch ich mich gerade diesem ganz besonderen Ritual, das ich sonst noch nirgends an einem shintō-Schrein gesehen habe. Dei Geschichte des Schreins, was er mit dem Konpira-san auf Shikoku zu tun hat und wie auch du das Ritual während der Reise nach Japan vollziehen kannst, erzähle ich dir heute.
Inhalt dieses Artikels
Geschichte des Yasui Konpira-gū – verbannte Kaiser und Rachegeister
Dort, wo heute der Yasui Konpira-gū in Kyōto steht, wurde ursprünglich im 7. Jahrhundert ein Tempel namens Fuji-dera gegründet. Das bedeutet Blauregen-Tempel. Kamatari Fujiwara, ein einflussreicher Aristokrat, ließ ihn errichten, um für den Wohlstand seiner Familie und deren Fortbestand zu beten.
Besonders bekannt wurde die heilige Stätte jedoch durch den 75. Kaiser Sutoku (崇徳天皇), der das Anwesen im Jahr 1146 renovierte und es seiner Geliebten, Awa no Naishi, als Wohnsitz überließ.
Nach der Hōgen-Rebellion 1156, bei der Sutoku besiegt und ins Exil nach Sanuki (die heutige Präfektur Kagawa auf Shikoku, wo sich der Konpira-san, Shikokus wichtigster Schrein, befindet) verbannt wurde, gewann der Schrein weiter an Bedeutung.
Die Legende besagt, dass 1177 dem buddhistischen Mönch Daien der Geist Sutokus erschien, als dieser am Fuji-dera übernachtete. Nun ist das in Japan so, dass einem Tote, die im Traum erscheinen, oft nicht gut gesonnen sind. Viele japanische Gruselgeschichten drehen sich um Rachegeister. Mönch Daien berichtete den Vorfall deshalb sofort dem damaligen Kaiser. Dieser gründete einen neuen Tempel, Kanshō-ji, um den ruhelosen Sutoku zu besänftigen.
Im 15. Jahrhundert zerstörten die Flammen der Ōnin-Rebellion diesen Tempel. Doch 1695 wurde Rengekō-in, ein anderer Tempel aus der Umgebung, hierher verlegt. Die endgültige Umbenennung zu Yasui Konpira-gū erfolgte während der Meiji-Restauration, als Buddhismus und Shintō streng getrennt wurden. Das bedeutet, dass ein Jahrhunderte lang buddhistischer Tempel nun offiziell ein shintoistischer Schrein geworden war.
Der Name Klingt nicht nur ähnlich wie Konpira-san, es besteht auch eine direkte Verbindung zu Shikokus wichtigstem Schrein. In Kyōto verehrt man nämlich in Gedenken an Sutokus Exil den selben Gott (Ōmononushi) wie am Konpira-san. Ebenso sind hier Prinz Yorimasa Minamoto und Sutoku selbst eingeschreint.
enkiri/enmusubi – das Ritual zur Trennung und Festigung von Verbindungen
Während der Schrein an sich einfach selbst zu erkunden ist, kommen natürlich die meisten Besucher für das heilige Ritual, das dabei helfen soll, schlechte Verbindungen zu lösen und neue, positive Beziehungen zu knüpfen. Es ist so beliebt, dass du damit rechnen musst, eine Zeit lang anzustehen, bis du selbst durch den Stein kriechen kannst. Aber du kannst nicht einfach kommen und dich anstellen. Es gibt einige Schritte zu befolgen, um das Ritual korrekt auszuführen:
Schritt 1: katashiro besorgen Du beginnst das Ritual, indem du dich an den Tischen vor dem Hauptschrein ein katashiro-Papieramulett (形代) besorgst. Nach einer Spende von mindestens 100 Yen schreibst du auf das katashiro die Beziehung oder Situation, von der du dich trennen oder die du herbeiwünschen beziehungsweise festigen möchtest.
Schritt 2: Gebet und Vorbereitung Nachdem du deine Wünsche auf das Amulett geschrieben hast, gehst du zum Hauptschrein, um die Gottheiten um Unterstützung zu bitten.
Schritt 3: Durch den Stein kriechen Nun beginnt der symbolische Teil des Rituals: Du stellst dich an, um durch den berühmten Stein zu kriechen. Das erste Mal robbst du von vorne nach hinten durch den Stein – dies soll dabei helfen, dich von schlechten Beziehungen zu lösen. Dies nennt sich enkiri (縁切り).
Schritt 4: Zurück durch den Stein Nach dem ersten Durchgang kriechst du von hinten nach vorne durch das Loch, was symbolisch für den Beginn einer guten Beziehung steht. Dieser Vorgang wird auch als enmusubi (縁結び) bezeichnet, was die Bindung einer positiven Verbindung beschreibt. Dabei muss es nicht immer um Zwischenmenschliches gehen.
Schritt 5: katashiro befestigen Abschließend befestigst du dein katashiro an dem Felsen. Und was passiert mit deinem Wunsch? Die älteren katashiro werden regelmäßig von den Priestern entfernt und rituell verbrannt.
Matsuri am Yasui Konpira-gū
Wie an jedem Schrein finden übers Jahr diverse Feste am Yasui Konpira-gū statt. Das außergewöhnlichste ist das Koshi Matsuri (Kamm-Fest) am vierten Montag im September. An diesem Tag bringen unter anderem Geisha und Maiko (Geisha-Schülerinnen) nicht mehr gebrauchte Kämme und Haarspangen an den Schrein, wo ihnen rituell Dank für ihre Dienste ausgesprochen wird (etwas Ähnliches gibt es am Taga-Schrein in Uwajima).
Ebenfalls sehenswert ist das Shuki Konpira Taisai, das Anfang Oktober stattfindet. Der Schrein feiert den Herbst. Unter anderem mit einer o-mikoshi-Parade, kagura-Theater und shishimai-Löwentänzen.
Anfahrt
Der Yasui Konpira-gū liegt im historischen Stadtteil Gion in Kyōto und ist bequem zu erreichen. Vom Kyōto Hauptbahnhof kannst du den Bus Nummer 206 nehmen und an der Haltestelle „Gion“ aussteigen. Alternativ ist der Schrein in etwa 15 Minuten zu Fuß von der Gion-Shijo-Station der Keihan-Linie erreichbar. Der Schrein ist das ganze Jahr über frei zugänglich.
Kyōto ist voll mit Schreinen und Tempeln. Da fällt es schwer zu entscheiden, was du alles anschauen möchtest. Der Yasui Konpira-gū ist meine ganz persönliche Empfehlung, wenn du eh in Gion unterwegs bist. Weil er im Vergleich zum Trubel im Rest der Innenstadt eine kleine Ruheoase ist. Und natürlich wegen des besonderen Power Spots, der es dir ermöglicht, alte Verbindungen zu lösen und neue zu knüpfen.
Quellen und weiterführende Links
Yasui Konpira-gū: Offizielle Website
Japan Experience: Yasui Konpira-gu Shrine
A different side of Japan: Yasui Konpiragu | How this Kyoto Shrine Saved Me from Myself
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