Männer tragen eine schwere o-mikoshi Göttersänfte die Treppe am Suwa Schrein in Nagasaki hinab. Hier ist Teamwork gefragt.

Was wiegt eine Gottheit?

Der Priester des Suwa Schreins redet auf mich ein. Es ist das größte Fest des Jahres in Nagasaki und seine freudige Aufregung ist ihm anzusehen. Vor allem, dass eine Westlerin sich für die hiesigen Feierlichkeiten interessiert, scheint ihm zu gefallen. Doch er stellt mich auch auf die Probe. Immer schneller werden seine Sätze, irgendwann bricht er plötzlich ab und sieht mich herausfordern an: „Gib’s zu, du verstehst doch gar nichts von dem, was ich dir erzähle.“ Ein bisschen verschmitzt kuckt er drein, in den Augen sehe ich den Schalk blitzen. Empört erwidere ich, dass ich sehr wohl verstünde. „Dann beweise es und übersetze, was ich erzählt habe.“ Er deutet auf meine Reisebegleitung und ich lege los.

Fest am Suwa Schrein in Nagasaki, ca. 1910 (Foto: Wikimedia Public Domain)
Fest am Suwa Schrein in Nagasaki, ca. 1910 (Foto: Wikimedia Public Domain)

Die Wahrheit ist, dass ich natürlich wirklich nicht jedes einzelne Wort verstanden hatte. Mein Japanisch war früher zu Zeiten der Sprachschule besser und vor allem habe ich nicht alle shintō-Fachbegriffe auf Lager. Dennoch begriff ich sehr gut, was er mir alles zu vermitteln versuchte, während wir den schwitzenden Männern in ritueller Kleidung mit weißen tabi-Socken und Sandalen an den Füßen zusahen. Keuchend hievten sie ein prunkvolles Miniaturgebäude auf zwei Tragbalken die Treppe hinab – eine Göttersänfte o-mikoshi お神輿 (dt. „erwührdige Sänfte“).

Die o-mikoshi Göttersänfte am Suwa Schrein in Nagasaki sieht aus wie ein prunkvolles Miniaturgebäude mit einem Phönix auf der Spitze.
Die o-mikoshi Göttersänfte am Suwa Schrein in Nagasaki sieht aus wie ein prunkvolles Miniaturgebäude mit einem Phönix auf der Spitze.

Wie der Name vermuten lässt, wird in einem o-mikoshi eine Gottheit kami 神 außerhalb des Heiligtums eines shintō-Schreins herumgetragen. Dies ist meistens bei Festen der Fall. Damit den Göttern dabei nicht langweilig wird, gibt es mancherorts sogar die Tradition, die Sänfte zu schütteln. Ob mit viel Bewegung oder nicht, ein o-mikoshi ist schwer, denn er besteht aus Holz und Metall. Aber was wiegt eigentlich die Gottheit darin?

Die Träger der Schreinsänfte am Suwa Schrein in Nagasaki sind nach getaner Arbeit sichtlich erleichtert und erschöpft.
Die Träger der Schreinsänfte am Suwa Schrein in Nagasaki sind nach getaner Arbeit sichtlich erleichtert und erschöpft.

Wie viel es ist, vermag ich nicht zu sagen, aber eingebrannt hat sich bei mir, dass der Priester mir versicherte, die Göttersänfte wäre in dem Moment leichter, in dem der kami sie wieder verließ und ins Heiligtum des Schreins zurückkehrte. Überrascht sah ich ihn an. „Wirklich?“ – „Wirklich!“ erwiderte er.

Nagasaki Kunchi

Das Nagasaki Kunchi 長崎くんち ist das größte und wichtigste Fest des Jahres in der japanischen Hafenstadt. Seit 400 Jahren gibt es jährlich ab 7. Oktober drei Tage lang Aufführungen und leckeres Essen. Zentrum der Feierlichkeiten ist der Suwa Schrein 諏訪神社, beliebtes Highlight der Feierlichkeiten ein chinesischer Drachentanz.

Mehr Info bei der japanischen Fremdenverkehrszentrale

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