Erst mal kurz die Kamera wegpacken. Bevor ich weiter den Schrein erkunden und den kami meine Gebete vorbringen kann, muss ich mich einem Reinigungsritual unterziehen. Reinheit ist das oberste Gebot bei Japans einheimischer Religion Shintō – dem Weg der Götter. Dies bezieht sich allerdings mehr auf eine geistige Ebene. Deshalb ist das Reinigungsritual auch rein symbolisch zu verstehen. Ohne geht es aber nicht. Deshalb findet sich an jedem Schrein, bevor man sich der Haupthalle nähert, ein Reinigungsbecken, das sogenannte temizuya 手水舎 (dt. wortwörtlich „Handwasserhütte“).
temizuya – der heilige Schreinbunnen
Ein temizuya ist fester Bestandteil eines jeden Shintō-Schreins. Auch an buddhistischen Tempeln findet man sie vor, allerdings nicht immer. In Größe und Pracht unterscheiden sie sich grundlegend. An kleinen Schreinen ist es gelegentlich nur ein ausgehöhlter Stein mit einer kleinen, haltbaren Metallkelle. Bei größeren Stätten reihen sich viele Plastik- oder Bambus-Schöpfkellen 柄杓 hishaku aneinander. Große Steinbassins dienen als Wassersammelbecken, gespeist werden sie aus einfachen Rohren bis hin zu furchterregenden Drachenmäulern.
Der Blick nach oben lohnt sich, da die Dachkonstruktionen immer wieder mit prunkvollen Schnitzereien überraschen. In der Gegend um Izumi ist es auch üblich, dass dicke shimenawa Reisstrohseile an den Querbalken befestigt sind.
Richtig reinigen vor dem Schreinbesuch
Sobald du Kamera oder Handy weggepackt hast und eine Schöpfkelle frei ist, kannst du beginnen. Wichtig ist, dass alle Schritte mit einer einzigen Ladung Wasser erledigt werden.
- Nimm die Kelle in die rechte Hand, schöpfe sie voll Wasser und schütte ein wenig davon über deine linke Hand. Das machst du vor dem Wasserbecken, so dass kein verschmutztes Wasser in den Schreinbrunnen gerät.
- Nun nimm die Kelle in die linke Hand und reinige die Rechte.
- Wechsel ein weiteres Mal die Hand, mit der du die Kelle hältst, und gebe ein wenig Flüssigkeit in deine linke Hand. Damit spülst du deinen Mund aus (diesen Schritt deuten viele Japaner nur an, das Wasser ist nicht immer so sauber, wie man sich das wünschen würde). Trinke nie direkt aus der Schöpfkelle!
- Ein letztes Mal reinigst du deine linke Hand, die Kelle hältst du mit deiner Rechten.
- Bringe die Kelle in eine senkrechte Position, so dass das restliche Wasser über den Griff läuft, um diesen zu reinigen, bevor du die hishaku zurücklegst für den nächsten Schreinbesucher.
- Nun bist du gewappnet, den Göttern gegenüber zu treten.
Ich krame in meinem Rucksack und hole eines der kleinen Handtücher hervor, die auch ein jeder Japaner immer mit sich herumträgt. Bei mir ist dieser Brauch gefestigt aus der Zeit, als es in öffentlichen Toiletten noch keine Lufttrockner gab und genau für solche Situation super praktisch.
Jetzt werden in Ruhe der Schrein erkundet und Fotos gemacht. Den Göttern kann ich jetzt frisch gereinigt ohne schlechtes Gewissen unter die Augen treten.
Wie hältst du es an Schreinen? Machst du das Reinigungsritual aus Respekt oder findest du, das ist eher den gläubigen Einheimischen vorbehalten?
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Ich finde, das Reinigungsritual gehört schon aus Respekt vor der Kultur dazu. Als Gast sollte man sich so höflich und anständig wie möglich zu benehmen.