Kannst du dir etwas unter einer „Eierfee“ vorstellen? Ich auch nicht. Beziehungsweise konnte ich nicht, bis ich Tsurumaru, das Maskottchen der Megurin-Buslinie in Okayama kennenlernte. Und wäre dieser Yuru-Chara nicht schon seltsam genug, hat es mit dem Megurin-Bus selbst auch noch etwas ganz besonderes auf sich. Bei der Einführung einer neuen Strecke 2018 löste er nämlich einen Streik aus, wie es ihn so nur in Japan geben kann. Naja, fast nur in Japan.
Die Megurin-Buslinie von Okayama
Die Stadt Okayama beherbergt neben einer schönen schwarzen Burg einen der drei berühmten Gärten Japans. Neben den ansässigen Bürgern möchten also auch viele Touristen von A nach B und dementsprechend gut ist der öffentliche Nahverkehr ausgebaut. Neben zwei Tramlinien durchkreuzen Busse mehrerer Unternehmen die Innenstadt.
Eines davon betreibt die sogenannten „Megurin“-Busse, die schon von Weitem an ihrer grünen Lackierung und bei den meisten Modellen großen weißen Glubschaugen zu erkennen sind.
2018 wurde eine scheinbar besonders vorteilhafte Route eingeführt, die viele wichtige Eckpunkte der Innenstadt miteinander verband. Und das für einen Flatrate-Preis von gerade mal 100 Yen.
Der Haken daran: dieser Streckenabschnitt wurde schon sowohl von der Tram als auch Bussen der Firma Ryobi bedient, allerdings zu einem teureren Fahrpreis. Ärger war vorprogrammiert.
Ein Streik, wie es ihn nur in Japan geben kann
Durch die Einführung der neuen Ring-Buslinie in der Innenstadt Okayamas, die Passagiere zu einem günstigeren Preis nutzen konnten als die regulären Linienbusse, prognostizierte sich der Busbetreiber Ryobi Verluste in Millionenhöhe.
Die bei Ryobi angestellten Fahrer bangten um die Zukunft ihres Arbeitsplatzes und beschlossen, ein drastisches Mittel zu ergreifen: Streik. Dieser sollte sich aber nicht als herkömmlicher Arbeitnehmerstreik gestalten. Die Fahrer planten dem Unternehmen zu schaden, ohne dass die Bevölkerung dabei in Mitleidenschaft gezogen werden sollte.
Mit anderen Worten: sie gingen weiterhin ihrer Arbeit nach und beförderten Fahrgäste, verkauften aber keine Tickets. Jeder, der wollte, konnte umsonst fahren.
Diese Taktik erregte weltweites Aufsehen und vor allem viele Japaner äußerten sich besorgt, ob die Verluste durch Lohnabzug ausgeglichen werden würden.
In jedem Fall kam durch den Streik etwas in Bewegung. Buslinien wurden umverlegt und der Konflikt damit aufgelöst.
Und wenn ich ganz ehrlich ist: so eine Art zu streiken gab es davor auch schon mal in Australien. War also keine rein japanische Erfindung, passt aber so gut zum Lieblingsland.
„Tsurumaru“ – das Megurin-Maskottchen
Aber zurück zur Eierfee. Nicht nur die Megurin-Busse selbst sind deutlich erkennbar, auch die zugehörigen Bushaltestellen. Diese ziert nämlich ein Bild von „Tsurumaru“ – dem Maskottchen der Linie. Es ist nach eigenen Angaben eine neugeborene Eierfee, deren Körper je nach emotionalem Zustand die Farbe wechselt. Die Form auf ihrer Brust entspricht dem Verlauf der Haltestellen, wenn man diese auf einer Karte betrachtet.
Und auf dem Kopf? Klar, ein Mandschurenkranich, erkennbar durch seinen karmesinroten Kamm. Und was macht er da? Er wärmt „Tsurumaru“. Und ist Namensgeber für die skurrile Eierfee. Denn das Wort tsurumaru (鶴丸, dt. „runder Kranich“) beschreibt ein altes Familienwappen, das genau so einen Kranich mit ausgebreiteten Flügeln darstellen soll. Eine moderne Version davon ist dir eventuell schon einmal begegnet: als Firmenlogo der Fluggesellschaft Japan Airlines (JAL).
„Tsurumaru“ die Eierfee reiht sich ein in die Riege der vielen vielen seltsamen japanischen Maskottchen. Als ich das Foto 2017 schoss, konnte noch niemand ahnen, dass ausgerechnet die Busse dieser Linie so einen außergewöhnlichen Streik auslösen würden. Dessen Nachahmung vielleicht auch woanders zu Erfolgen führen würde.
Quellen und weiterführende Links
Megurin Okayama: Tsurumaru
T-Online: So kreativ streiken japanische Busfahrer
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