„Guten Abend!“ Hörst du diese beiden Wörter in deinem Kopf mit normaler Stimme oder klingen sie eher nach „Gud’n Aabeeeend“ im typischen Tonfall eines Mainzelmännchens? Wie bei uns jeder die lustigen Kerle aus dem ZDF kennt, geht es 90% der japanischen Schulkinder mit dem Maskottchen des dort öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK: Dōmo-kun, ein furchterregendes Monster mit Fratze, das pupst, wenn es aufgeregt ist und mit einem fortschrittsfeindlichen, alten Kaninchen und einer alleinerziehenden Fledermaus samt Sohn zusammenlebt. Ein Maskottchen, dass es so bei uns also vermutlich nicht geben könnte. Oder doch?
Die Entstehung des TV-Maskottchens Dōmo-kun

Japan hat eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt: die Nippon Hōsō Kyōkai, kurz NHK. Entstanden 1926 vereint sie unter ihrem Dach mehrere TV- und Radiosender. Seit 1988 wird NHK auch über Satellit ausgestrahlt. Und zum 10-jährigen Jubiläum dieser technischen Neuerung erblickte 1998 Dōmo-kun das Licht der Welt.
Genau genommen schlüpfte er aus einem Ei. Denn so beginnt die erste Episode mehrerer um die 30 Sekunden dauernder Stop-Motion-Puppenfilme rund um das … nun ja, was ist Dōmo eigentlich? Man weiß es nicht genau. Mit seiner braun-plüschigen Quaderform, schwarzen Knopfaugen und einem weit aufgerissenen Maul mit spitzen Zähnen ähnelt er keinem realen Tier.
Was nach einem grusligen Look klingt, soll eigentlich einen Ausdruck fröhlichen Staunens darstellen. Wie wenn ein Kind den Weihnachtsbaum an Heilig Abend zum ersten Mal sieht. Und so erkundet Dōmo-kun die Welt mit Neugierde und einer großen Portion Anxiety, wie man heute sagen würde. Denn er ist schnell einmal aufgeregt und wie eingangs erwähnt bedeutet dies, dass er anfängt zu schwitzen und zu pupsen. Fäkalhumor funktioniert eben bei allen Kindern dieser Welt. (Ich muss dir unbedingt auch Mal von „Detektiv Popo“ erzählen.) Dass ausgerechnet das öffentlich-rechtliche Fernsehen sich diesem bedient, erstaunt und amüsiert mich allerdings sehr und kann ich mir für Deutschland so gar nicht vorstellen.
Dōmo-kuns Name ist wie so oft im Japanischen ein Wortspiel in Anspielung auf die Begrüßungsworte eines Ansagers „どうも今日は“, die so viel bedeuten wie „Hallo und guten Tag“, aber auch als „Hallo, Dōmo“ verstanden werden können.
Die anderen Charaktere rund um NHK-Maskottchen Dōmo-kun

Dōmo-kun ist nicht allein der Star der ursprünglichen Animationsclips, auf die eine Serie, jede Menge Merchandise, Comics und sogar Konsolenspiele folgten. Denn das Ei, aus dem er schlüpft, purzelt in einen Kaninchenbau, in dem bereits ein älterer Kaninchenherr mit zwei Fledermäusen lebt. Ihr gemeinsames Hobby: Fernsehen.
Das Kaninchen Usajii (ein Kofferwort aus usagi für Hase und jii für älterer Mann oder Großvater) nimmt Dōmo bei sich auf und entpuppt sich als jemand, der gern grünen Tee trinkt und auf Tradition bedacht ist. In seinem Bau sieht man zum Beispiel eine Schmucknische mit Schriftrolle in der Wand, eine Tanukifigur und einen kleinen Bonsai. Ein Telefon oder andere moderne Geräte besitzt er nicht, außer dem Fernseher mit Satellitenanschluss.
Das genaue Gegenteil ist die junge Wieseldame Tā-chan, die davon träumt in Tōkyō als Fashion Stylistin oder Model erfolgreich zu werden. Ihr Flachbild-TV kann Multichannel-Übertragung, wovon sich auch ihr Name im japanischen ableitet (tachanneru 多チャンネル = Multichannel). Sie schießt gern Fotos mit ihrer digitalen Kamera oder hantiert mit ihrem Handy oder Laptop herum. Besonders in ihrer Gegenwart wird Dōmo anfangs sehr nervös, schwitzt und pupst, als er sie das erste Mal trifft.
Die beiden Fledermäuse sind Mama Shinobu und Sohn Morio. Shinobu kümmert sich liebevoll um ihr Kind und setzt sich immer wieder für Dōmo ein, wenn das alte Karnickel zu streng mit ihm ist.
Zusätzlich gibt es noch weitere Tier, die in der Nähe wohnen und mit denen Dōmo und seine Freunde interagieren. Alle gemeinsam ergeben einen kunterbunten, ungewöhnlichen Cast, der sehr gut in Kombination funktioniert und durch Humor glänzt, der für Kinder wie erwachsene funktioniert.

Dōmo-kun und Bernd das Brot
Ein Maskottchen, das ein wenig gruselig aussieht, ständig schwitzt und die eine oder andere Flatulenz hat … mein erster Gedanke war, so etwas kann es mal wieder nur in Japan geben. Vor allem, nachdem ich im englischen Wikipedia die Info gelesen hatte, Fledermaus-Mama Shinobu wäre Alkoholikerin (was ich aus den japanischen Stop-Motion-Clips nicht bestätigen kann, eventuell ist dies ein Charakterzug aus den späteren Comics, die rein für den amerikanischen und kanadischen Markt produziert wurden).
Doch dann musste ich an Bernd das Brot denken, die fatalistische und depressive Aushängefigur der Kinderkanals KiKa. An Bernd habe ich als Erwachsene sehr viel Spaß, doch das niedergeschlagene Kastenbrot ist auch nicht das, was ich mir als Maskottchen für einen Fernsehsender vorstellen würde.
Mit anderen Worten: gut, dass nicht ich darüber bestimme, welche Maskottchen die Fernsehsender dieser Welt bekommen. Denn sonst wäre ich um jede Menge Spaß gebracht worden, sowohl mit Bernd das Brot als auch mit Dōmo-kun.
PS: Fun Fact: Dōmo-kun wurde weltweit durch dieses Meme bekannt. Auch mir ist er Anfang der 2000er zum ersten Mal so begegnet.
Quellen und weiterführende Links
Offizielle Website von Dōmo-kun bei NHK (jap.)
Playlist Domo-Stop-Motion-Clips auf YouTube (auf Jap. aber auch ohne Worte gut verständlich)
Alec Comes: Does Anyone Else Remeber Domo, Americ’s Favorite Japanese Mascot? (engl.)
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