Möchte man etwas über die Kultur einer Gesellschaft erfahren, lohnt es sich, einen Blick auf deren Umgang mit den Toten zu werfen. Als Tourist geht das zum Beispiel mit einem respektvollen Spaziergang über einen Friedhof. Dabei lassen sich interessante Besonderheiten entdecken, die einen japanischen Friedhof von einem deutschen unterscheiden.
1. 99,8% Urnenbegräbnisse (und Grabräuber der besonderen Art)
Fast ausnahmslos alle Japaner werden verbrannt, nachdem sie gestorben sind. Das liegt daran, dass der Tod im Shintoismus als unrein angesehen wird und alle Rituale rund um die Beerdigung buddhistisch geprägt sind. Im Buddhismus dient das Verbrennen der Verstorbenen als wichtiger Schritt, um die Seele des Toten freizusetzen.
Daher sehen japanische Gräber etwas anders aus als deutsche. Die Erde, in die hier normalerweise Blumen gepflanzt werden, fehlt dort völlig. Stattdessen besteht das Grab komplett aus Stein. Unter einer Stehle, die anzeigt, um welches Grab es sich handelt, befindet sich ein Hohlraum, in dem die Urnen gelagert werden.
Da die Urnen leicht zugänglich sind, kam es vereinzelt schon zu Diebstählen. So wurde zum Beispiel die Asche von Autor Yukio Mishima aus seinem Grab auf dem Tama-Friedhof in Fuchū entwendet.
2. Ein japanischer Friedhof liegen oft mittendrin
Da die Toten in Japan alle verbrannt und nicht wortwörtlich beerdigt werden, spielt es aus umwelttechnischen Aspekte keine große Rolle, wo ein Friedhof sich befindet. Deshalb sind die letzten Ruhestätten in den Städten oft mittendrin. Also, so richtig!
Mauern um Friedhöfe sind nicht üblich und so kann es schon mal sein, dass direkt an ein Grab ein Parkplatz oder eine Straße angrenzt. Dies geht einerseits entgegen unsere Vorstellung von der letzten „Ruhe“, gleichzeitig fasziniert mich, dass das Thema Tod nicht als solch großes Tabuthema behandelt wird, wie bei uns. Dies beginnt schon bei den Beerdigungsritualen. Doch dazu ein andermal mehr.
3. Ein Grab für die ganze Familie
Gräber in Japan sind in der Regel Familiengräber, die oft über viele Generationen hinweg weitergeführt werden. Auf dem Grabstein steht deshalb vorne nur groß der Familienname, nicht die Namen der einzelnen Verstorbenen.
Je nach Region und Tradition werden die Einzelnamen anders gehandhabt. Manchmal sind sie auf der Seite des Grabsteins eingraviert, manchmal gibt es extra Steinplatten. Häufig siehst du jedoch längliche Holzplanken (sotōba 卒塔婆, die japanische Aussprache für „Stupa“) mit Sanskritzeichen und komplizierten Kanji an den Gräbern aufgestellt. Sie zeigen den buddhistischen Namen des Verstorbenen, den dieser nach seinem Tod erhalten hat. In bestimmten Abständen nach dem Tod werden Gedenkgottestdienste abgehalten, zu diesem Anlass ist es Brauch, jedes Mal eine neue Holztafel anfertigen zu lassen.
4. Ein Toter verteilt auf mehrere Gräber
Bei einem Spaziergang über den Okunoin-Friedhof auf dem Berg Kōya staunte ich nicht schlecht, als ich plötzlich vor einem Grab mit dem Nintendo-Logo vorbeiging. Dort folgte Panasonic. Da drüben stand eine riesige Rakete aus Stein. Firmengräber!
Bekleidete ein Verstorbener eine wichtige Rolle in seiner Firma, kann es sein, dass nicht seine ganzen Überreste im Familiengrab aufbewahrt werden. Stattdessen kommt ein Teil der Asche gesondert ins Firmengrab.
5. Namen Lebender auf dem Grabstein
Solltest du auf einem Grabstein gravierte Schriftzeichen in roter Farbe sehen, handelt es sich hierbei um den Namen einer noch lebenden Person. Wie? Was? 😱 Klingt für uns nach Horrorfilm, war aber zumindest früher in Japan üblich. Und zwar dann, wenn von einem Paar ein Partner früher starb. Zur Beerdigung beschriftete man den Namen des noch lebenden Partners gleich mit. Die rote Farbe signalisiert, dass es sich um einen Lebenden handelt, und wird nach dessen Tod entfernt.
6. Rituelles Grabsteinwaschen
Besucht man zum Beispiel als Angehöriger oder enger Freund ein Grab in Japan, kommt man oft bewaffnet mit einem Eimer, Schwamm und einer Schöpfkelle. Es gehört nämlich zum guten Ton, den Grabstein zu säubern, wenn man seine Aufwartung macht.
Eimer und anderes Zubehör bringst man entweder von zu Hause mit oder leiht es sich von einem Blumenladen rund um den Friedhof.
7. Opfergaben auf einem japanischen Friedhof
Das japanische Pendant zu Kerze und Weihwasser am Grab sind Räucherstäbchen, frische Blumen und Wasser. Ähnlich wie es bei uns in der Regel fix eine Laterne und ein Weihwassergefäß gibt, sind in ein japanisches Grab eine Vase für Blumen, ein kleines Becken für Wasser und eine Stelle zum Abbrennen von Räucherstäbchen integriert.
Davon abgesehen siehst du hin und wieder andere Opfergaben wie eine Dose Kaffee oder ein Becher Sake sowie frisches Obst und andere Kleinigkeiten, die der Verstorbene gerne mochte.
Quellen und weiterführende Links zum Thema „japanischer Friedhof“
Wikipedia: Japanese funeral (engl.)
Japan Travel: Cemeteries in Japan (engl.)
Voyapon: Japanese Cemeteries: A Guide to its Traditions, Rituals and the Afterlife (engl.)
Sotouba: A very detailed ’s story of Sotoba (engl.)
Für später pinnen
PS: Wenn du täglich ein Stück Japan in deinen Social-Media-Feeds und dich mit anderen Japan-Fans austauschen möchtest, folge mir auf Facebook, Instagram, Twitter und Pinterest.
Noch mehr Neuigkeiten, Infos, Lustiges und Skurriles gibt es jeden Montag im Japanliebe Newsletter. Trag dich gleich ein und lerne Japan mit mir kennen.
0 Kommentare zu “Ein Friedhof in Japan – 7 Unterschiede zu Deutschland”