Noch bevor ich das erste Mal nach Japan kam, hatte ich bereits mehrere Jahre Sprachunterricht hinter mir. Man darf sich da keine Illusionen machen. Es reichte gerade mal so weit, dass ich im Supermarkt fragen konnte, wo ich Reis finde und welcher wohl am besten geeignet sei für Reisbällchen. Ich habe eine Reihe panischer Hausfrauen in Japan zurück gelassen, die erst verkraften mussten, dass eine Westlerin völlig übermotiviert auf sie zu gesprungen kam, um dann solch mondäne Fragen zu stellen.
Dennoch bedeutete dies, dass ich grundlegend die Grammatik kannte, ein gewisses Gefühl für die Sprache hatte und vor allem einiges lesen konnte. kanji – die sino-japanischen Schriftzeichen – sind bis heute nicht meine Stärke und egal wie oft ich sie lerne, einige hartnäckige Fälle entfleuchen immer wieder meinen Gehirnwindungen, aber es gibt da noch zwei Silbensprachen: hiragana und katakana, gemeinsam kana genannt. Sie sind der Schlüssel zu einem intensiveren Reiseerlebnis. Und bringen mich zu einer etwas anderen Empfehlung, als andere sie aussprechen, wenn es um die Frage geht: Macht es Sinn vor deiner Japanreise Japanisch zu lernen und erste Sprachkenntnisse zu erwerben?
Das japanische Schriftsystem
Jemandem, der mit Japanisch noch nie etwas am Hut hatte, das Schriftsystem zu erklären, fällt mir immer schwer. Denn es ist kompliziert mit vier unterschiedlichen Faktoren, die zusammen kommen.
rōma-ji
Zum einen sind da die rōma-ji ローマ字, also das lateinische Alphabet wie wir es kennen. Abzüglich dem scharfen ß und den Umlauten ö, ü und ä. Westlich aussehende Schrift ist international, hip und modern und wird dir in Japan viel öfter begegnen, als du es vorab wahrscheinlich erwartest. Sie wird zum Beispiel in der Werbung verwendet um Dinge zu betonen, außerdem sind in den urbanen Gebieten Straßenschilder und Anzeigen in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer zusätzlich in rōma-ji.

kanji
kanji 漢字 sind das, was du dir unter Japanisch vorstellst: einzelne Sinneinheiten. Ein Zeichen steht für einen Gegenstand, Handlung etc. Ein Baum wird zu 木, ein Vogel zu 鳥, grillen zu 焼.
Die kanji kamen aus China nach Japan und haben sich dort weiterentwickelt. So kann ein Zeichen mit der selben Bedeutung in China anders aussehen wie in Japan. Die Anzahl ist schier unendlich, allerdings gibt es von der Regierung einen Kanon von 2.136 Zeichen, die für japanische Behörden, Medien und Schulen verbindlich sind – die jōyō-kan-ji 常用漢字 („Alltagsgebrauch-Schriftzeichen“). Hast du sie gemeistert, steht dem Zeitunglesen kaum noch etwas im Wege.
Nun ist es völlig klar, dass du vor einer Japanreise nicht mal schnell über 2.000 fremdartige Schriftzeichen lernst, um während dem Urlaub klar zu kommen. Das ist in Japan auch wirklich nicht nötig, weil mit Touristen im Hinterkopf wirklich vieles Englisch beschriftet ist. Du kommst durch, ohne ein Stückchen Japanisch sprechen oder lesen zu können. Aber wie immer beim Erkunden fremder Länder: selbst minimale Sprachkenntnisse helfen. Und hier sind die nächsten beiden Schriften ein Schlüssel zu einem völlig neuen Verständnis für das Reiseland Japan.

kana – hiragana und katkana
Hinter den kana, also hiragana und katanana verstecken sich zwei Silbenschriften. Denn das Japanische besteht größtenteils aus Silben. Die wenigen Einzellaute sind a, e ,i , o, u und das n. Sonst sind japanische Laute immer eine Kombination aus Konsonant und Vokal, also so etwas wie ka, ke, ki, ko, ku. Oder auch tsu, shi, ha und no. Klingt kompliziert, macht es aber eigentlich einfacher, denn während bei uns aus Einzelbuchstaben unzählige Lautkombinationen möglich sind, ist die Anzahl der Silben im Japanischen begrenzt. Unter 50 sind es, die einem die Welt der japanischen Sprache eröffnen (und dann gibt es noch ein paar Abwandlungen, doch ich möchte es jetzt nicht unnötig verwirrend machen).
hiragana und katakana spiegeln genau diese Silben wieder. Alle Silben gibt es in beiden Schriften. Am einfachsten kann man sich das wie in der deutschen Rechtschreibung mit Groß- und Kleinschreibung vorstellen. So wie es A und a gibt, stehen ebenさ und サ beide für die Silbe „sa“. Nur wird hier nach Verwendungszweck unterschieden. Die weichen, runden hiragana werden für japanische Wörter verwendet, die harten, eckigen katakana für Lehnwörter aus anderen Sprachen. Der in Japan äußerst beliebte Baumkuchen schreibt sich also in katakana als バウムクーヘン (ba-u-mu-ku-u-he-n).

Hier merkt man schnell, warum von Japanern gesprochenes Englisch oder Deutsch für unsere Ohren etwas gewöhnungsbedürftig klingt: wächst man nur mit Silben auf, ist es schwierig Laute zu bilden, die sich wild aus Einzelbuchstaben zusammensetzen. So wird der „Baum“ im Kuchen eben zum „Baumu“.
Das Phänomenale an hiragana und katakana ist, dass die Silben wie gesagt die komplette japanische Sprache abbilden können.
Japanisch vor der Japanreise lernen?
Ganz ehrlich, ich finde es immer reichlich unsinnig, vor einer Reise in ein Land, dessen Sprache ich nicht spreche, mehr Floskeln als hallo, bitte und danke zu lernen. Was nutzt es mir, nach dem Weg fragen zu können, wenn ich dann doch die Antwort nicht verstehe. Allerdings haben mich zwei Wochen Südkorea gelehrt, dass es Sinn gemacht hätte, vorher einen Blick auf die Schrift Hangul zu werfen. Denn meistens kennt man schon einige Begriffe vom Hören. Eventuell wäre die Koreareise dann kulinarisch spannender gewesen.

Und genau darauf möchte ich heute hinaus. Wirfst du vorab einen Blick zumindest auf hiragana und ein paar katakana, wird sich das während deiner Japanreise als sehr wertvoll herausstellen. Denn besonders bei einfachen Restaurants sind die angebotenen Speisen häufig in hiragana angeschrieben. Drei Silben reichen, damit du plötzlich erkennst, wobei es sich um eine Suppenküche für udon うどん handelt, zwei reichen sogar für Buchweizennudeln soba そば. Du magst gern Fleisch? Dann sind dir vielleicht yakitori als gegrillte Hähnchenspieße ein Begriff. Nicht zufällig habe ich dir weiter oben die kanji für Vogel und grillen gezeigt. Gemeinsam ergeben sie genau jene leckeren Spießchen: 焼鳥. Die Wahrscheinlichkeit ist aber groß, dass stattdessen auf einer roten Papierlaterne vor dem Eingang des Lokals die Aussprache やきとり (ya-ki-to-ri) prangt. Da biegt man dann doch gerne ab.

Die kana lernen und behalten
Wenn du in die Welt der japanischen Silbenschriften eintauchen möchtest, holst du dir eine der vielen verfügbaren Apps für dein Handy. Alternativ empfehle ich dir die Methode von James Heisig, bei der mit abgedrehten Eselsbrücken das erfinderische Gedächtnis die Arbeit übernimmt. Lass dich nicht verwirren, dass auf dem Cover „Teil 1“ abgedruckt ist. Drehst du das Buch um, beginnt von der anderen Seite Teil 2 mit den katakana.
Ein Spezialitätenrestaurant für Tofuhaut
Warum erzähle ich dir alles ausgerechnet bei diesem Bild der Woche? Nun, warst du schon einmal in Kyōto, kennst du diese Ecke bestimmt. Es ist eine der berühmtesten und meistfotografiertesten Stellen im Geisha-Distrikt Gion. Wirst du Japan in Zukunft besuchen, kann ich dir fast versprechen, dass du dort vorbei kommen wirst. Ob du allerdings auf die Idee kommen würdest, in das Restaurant rechts abzubiegen? yuba und tōfu steht da in hiragana Silbenschrift auf dem weißen Lampion. Es handelt sich um ein Spezialitätenrestaurant für Gerichte mit Tofuhaut yuba 湯葉.
Als aufmerksamer Leser von japanliebe.de ist dir dies natürlich schon einmal vor deiner Japanreise untergekommen und du weißt, dass Tofuhaut – auch wenn es erst einmal unsexy klingt – verdammt lecker ist. Also isst du bei deiner Japanreise mitten in Gion etwas, von dem die meisten anderen ausländischen Touristen nicht einmal wissen, dass es existiert. Und das, weil du zwei hiragana lesen konntest.
Ist es nötig vor deiner Japanreise Japanisch zu lernen? Nein, wirklich nicht. Aber ein paar Stunden Spaß mit hiragana und katakana vorab lassen Japan noch genauso exotisch wirken wie davor, nur kannst du intensiver in diese Exotik abtauchen.
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