Der Jump Shop im Einkaufszentrum „Canal City“ kurz for Halloween.

Wie Anime ist Japan wirklich?

Meine Liebe für Anime und im Umkehrschluss Japan begann vermutlich im zarten Alter von vier Jahren. Damals liefen auf ZDF Serien wie „Captain Future“ und „Heidi“ – Anime, wie ich heute weiß. Das schauen von Serien und lesen von Manga ist auch für viele andere der Einstieg in die Liebe für ein fernes Land, knapp 10.000 Kilometer von hier entfernt.

Automatisch stellt sich da der Wunsch ein, auch nach Japan zu reisen – das Anime- und Otaku-Paradies. Ich sehe schon die skeptischen Blicke in der Verwandtschaft, dass man Realität und Fiktion nicht vermischen dürfe und es sogar eine Schnapsidee sei auf falsche Hoffnungen bauend eine Japanreise zu machen.

Also reden wir doch mal drüber. Wie Anime ist Japan wirklich?

Japan sieht genau so aus, wie du es dir vorstellst … aber auch nicht

Während mein Freund, der noch nicht in Japan war, an der Playstation „Ghost of Tsushima“ spielte, saß ich ob der wunderschönen Atmosphäre und Landschaftsbilder regelmäßig seufzend daneben und sagte „Japan sieht übrigens wirklich so aus“.

Sich im Wind wiegendes Pampasgras, leuchtend rote Ahornblätter, lautlos zu Boden segelnde Kirschblüten. Oh ja, ich habe all dies in Japan schon gesehen.

Auf Instagram ist es ein Trend in kurzen Reels nebeneinander geschnitten zu zeigen, wie Orte im Lieblingsland in Realität aussehen im Vergleich zu deren Darstellung in Animes. Überraschung: exakt so.

Seit dem Film „Your Name“ vermutlich Tōkyōs bekannteste Treppe. (Foto: JL Lacar, Unsplash https://unsplash.com/photos/zFLj1i2Rt-M)
Seit dem Film „Your Name“ vermutlich Tōkyōs bekannteste Treppe. (Foto: JL Lacar, Unsplash)

Dann ist Japan also wirklich dieses wunderschöne Land von der Mattscheibe, in dem Zikaden ihr Lied zum Besten geben und Essen immer unverschämt lecker aussieht? Ja! Und nein.

Was denn nun? Anime, Managa und Games zeigen Japan wie es ist, aber immer durch eine sehr enge Linse. Die Umgebung und Architektur wird stellenweise detailgetreu wiedergegeben. 

Aber nicht so genau gezeigt wird, dass durch die salzige Meeresluft alles unglaublich schnell rostet. Dass überall wirr Stromkabel verlaufen und dass sie an der Stelle, wo sie aus der Wand kommen gerne mal provisorisch mit Klebeband oder Alufolie umwickelt wurden. (Hey, ich habe echt keine Ahnung, wie sicher DAS ist.)

Da fehlt die Darstellung, dass es neben Getränkeautomaten oft überquellende Mülleimer für leere Flaschen gibt und unter Brücken in Tōkyō ganze Kartonfestungen von Obdachlosen existieren. (Und klar, einzelne Produktionen zeigen auch all dies, aber sie sind in der Minderheit.)

Ich würde es so zusammenfassen: Japan sieht genau so aus, wie du es dir aus Anime und Manga vorstellst. Aber da ist noch viel mehr.

Ich liebe alles daran. Gute Grundvoraussetzungen für eine Japanologin. Denn es ist dieses Gesamtbild, dass Japan und seine Menschen ausmacht.

Der Kanda Myojin Schrein hat viele liebevoll gestaltete ema Wunschtafeln.
Der Kanda Myojin Schrein hat viele liebevoll gestaltete ema Wunschtafeln.

Japan, ein Paradies für Manga- und Animefans?

Und wie ist das mit Merchandise und generell der Präsenz von Populärluktur in Japan? Schauen alle Japaner Anime? Bekomme ich an jeder Ecke Merchandise zu kaufen?

Präsenz von Anime in Japan

Etwas überraschend für ausländische Fans ist die Tatsache, dass Anime in Japan im Fernsehen nicht so präsent sind, wie man sich das vorstellen würde. Um nicht zusagen: nicht mal so präsent wie bei uns.

Während manch deutscher Sender sein ganzes Nachmittagsprogramm und andere die Prime Time für Zeichentrickserien aus Japan reservieren, laufen dort nur eine Hand voll kindertaugliche Serien tagsüber und wenige zur Hauptsendezeit. Der Löwenanteil der Produktionen, die es in den Westen schaffen, wird im Nachtprogramm ausgestrahlt.

Die Zielgruppe für diese „Late Night Anime“ sind erwachsene Hardcore-Fans, die danach auch auf die DVDs und weiteres Merchandise zu den Serien kaufen (sollen). Deshalb kaufen die Produktionsstudios auch ganze Sendezeitenblöcke bei den TV-Sendern, um zusätzlich zur ausgestrahlten Folge ausschweifend Werbung machen zu können. Zur späten Stunde sind diese Slots günstig und den Profit machen die Studios über die letztendlich verkauften DVDs bzw. Blu-rays.

Halloween-Merchandise zur Manga- und Animeserie "One Piece" im Jump Shop in Canal City, Fukuoka.
Halloween-Merchandise zur Manga- und Animeserie „One Piece“ im Jump Shop in Canal City, Fukuoka.

Manga in Japan

Meines Erachtens nach leichter in Kontakt kommen Japaner mit Manga. 

Comics gibt es in jedem Convenience Store bei den Zeitschriften: die neusten Bände beliebter Serien, Kurzgeschichtensammlungen zu bestimmten Themen, wöchentlich oder monatlich erscheinende Anthologien, in den denen Serien oft über Jahre hinweg Kapitel für Kapitel erscheinen und auch Erotiktitel. (Für letzteres gab es Bemühungen seitens der Politik hentai-Manga vor den Olympischen Spielen 2020 aus den Regalen der 24-Stunden-Supermärkte in Tōkyō zu verbannen.)

Auch in jedem Buchladen gibt es eine Abteilung für Comics. Du musst also nicht in einen Spezialladen gehen, um Manga kaufen zu können.

Ein Themencafé zum klassischen Anime "Rascal, der Waschbär".
Ein Themencafé zum klassischen Anime „Rascal, der Waschbär“.

Kooperationen überall

Für die Statistik-Fans: „nur“ jede*r dritte Japaner*in gibt an, regelmäßig Anime oder Manga zu konsumieren. Dennoch kann sich keiner dem Thema entziehen, denn beliebte Titel begegnen dir einfach überall.

Da läuft das Titellied im Einkaufszentrum aus einem Lautsprecher, Tully’s Coffee hat ein thematisch passendes Getränk im Angebot, bei Family Mart gibt es gerade eine Tombola, bei der man Merchandise gewinnen kann, und das Kaufhaus hat eine Sonderfläche mit Produkten zum thema XY, das in jener Serie besonders präsent ist.

Wenn die Japaner etwas lieben, dann darf es in alle Lebensbereiche (ein Beispiel: es gibt Schreine, die Talismane und Wunschtafeln im Anime-Design anbieten). Es gibt Kooperationen, Kooperationen, Kooperationen an jeder Ecke. Das hat dann wiederum den selbstverstärkenden Effekt, dass das beworbene Franchise noch bekannter wird.

Mit so einer einer Gesichtsmaske kann man tetwas für die Haut tun und sich dabei auch noch ins einen Lieblingscharakter verwandeln.
Mit so einer einer Gesichtsmaske kann man tetwas für die Haut tun und sich dabei auch noch ins einen Lieblingscharakter verwandeln.

Zu den großen Vertretern gehören hier zum Beispiel, Gundam, Neon Genesis Evangelion, One Piece, Sailor Moon und Ultraman. Es sind wahre Dauerbrenner im Merchandise- und Kooperationsbereich.

Dazu kommen die aktuellen Hits, die kurzzeitig den Markt fluten. Das wären momentan zum Beispiel Demon Slayer, Tokyo Revengers, Jujutsu Kaisen, Laid-Back Camp und Spy x Family. 

Shoppingparadies für Anime- und Manga-Fans

Abgesehen davon, dass dir populäre Titel sowieso überall begegnen, gibt es natürlich auch noch Spezialgeschäfte für alles rund um dein Hobby. Manchmal sogar ganze Stadtviertel wie Akihabara.

Dort gibt es etwas für jeden Geschmack und gefühlt Merchandise zu jeder Serie, die es je gab.

Diese Ort sind genau so, wie du es dir vorstellst.

Ein Schaukasten in einem der unzählichen Anime- und Manga-Spezialläden in Akihabara mit Figuren. Unter anderem das virtuelle Pop Idol Hatsune Miku.
Ein Schaukasten in einem der unzählichen Anime- und Manga-Spezialläden in Akihabara mit Figuren. Unter anderem das virtuelle Pop Idol Hatsune Miku.

Mein Fazit also: Du liebst Anime und Manga und das ist dein Antrieb nach Japan zu reisen. Tu es, du wirst es lieben. Mach dir aber bewusst, dass Japan noch so viel mehr ist und zu bieten hat als diesen Aspekt. Und verliebe dich auch in dieses „mehr“. Dann wird das die Reise deines Lebens.

Quellen und weiterführende Links

Statista: Japan: share of people who often consume manga or anime (engl.)
Anime & Manga Stack Exchange: Why does anime usually air at night in Japan? (engl.)


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