Kamelien blühen vor dem Burgturm in Ōzu.

Burg Ōzu – übernachten in einem japanischen Schloss

Bau, Menschenopfer, Zerstörung und Wiederaufbau – die Geschichte der Burg Ōzu ist wild. Von all dem hatte ich noch keine Ahnung, als ich die beschauliche Stadt Ōzu in der Präfektur Ehime auf Shikoku, die auch als „Kleines Kyōto von Iyo“ bekannt ist, das erste Mal besuchte. Eine hübsche, kleine Festung mit dunkler Verkleidung überragt den Ort am Ufer des Hiji-kawa-Flusses. Beim Schlendern durch die Gassen fühlt man sich durch die vielen Häuser mit Holzfassaden in eine frühere Zeit versetzt. Der Spitzname der Stadt kommt nicht von ungefähr. Während ein Ausflug nach Ōzu leicht als Tagesexkursion von Matsuyama aus zu bewerkstelligen ist, beginnt das richtige Abenteuer erst, wenn du dich dafür entscheidest, in der Burg von Ōzu zu übernachten. Ja, das geht. Eine einzigartige Erfahrung bei deiner Reise nach Japan.

Die Burg von Ōzu ist klein, aber hübsch.
Die Burg von Ōzu ist klein, aber hübsch.

Die Geschichte der Burg Ōzu

Die Burg Ōzu (Ōzu-jō, 大洲城) ist auch als Burg Jizōgatake (Jizō-ga-take-jō, 地蔵ヶ嶽城,) bekannt. Sie liegt auf einer Anhöhe in der gleichnamigen Stadt Ōzu in der Präfektur Ehime auf Japans kleinster Hauptinsel Shikoku. Ihr Ursprung reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück, als sie von Utsunomiya Toyofusa, einem Vasallen des Ashikaga-Shogunats, erbaut wurde. Die Burg diente ursprünglich als Verteidigungsanlage und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgebaut.

Zunächst bestand sie nur aus ein paar Barrikaden und einer kleinen Festung. Der Schlossturm, wie du ihn heute noch sehen kannst, wurde dann erst 1585–1617 errichtet. Für das Design zeichnete sich maßgeblich der Burgarchitekt Tōdō Takatora verantwortlich.

Zur goldenen Stunde im Herbst ist das Licht an Burg Ōzu besonders schön.
Zur goldenen Stunde im Herbst ist das Licht an Burg Ōzu besonders schön.

Bewohner der Burg waren ab 1617 über 13 Generationen hinweg bis zum Ende des Shogunats in 1868 der Clan der Katō. Während der Meiji-Restauration wurde die Burg natürlich nicht mehr gebraucht und letztendlich abgerissen, und nur das Burgtor blieb erhalten. Erst in den 1990er Jahren wurde ein umfassendes Restaurationsprojekt in die Wege geleitet, um die Burg über zehn Jahre hinweg in ihrer historischen Pracht wiederherzustellen.

Traditionelle Bauweise und Menschenopfer

Es gab im 20. Jahrhundert viele Wiederaufbauprojekte für japanische Burgen. Insgesamt stehen nur noch zwölf in ihrer Originalform, alle anderen sind Nachbauten. Um sie gegen Naturkatastrophen und Umwelteinflüsse zu schützen, verwendeten die Architekten dafür Stahlbeton, weswegen viele japanische Schlösser, die du besuchen kannst, im inneren wie moderne Gebäude aussehen und teilweise sogar über Aufzüge verfügen.

Burg Ōzu gehört wie Burg Kanazawa oder Burg Edo zu einer neuen Generation an Rekonstruktionen, bei denen traditionelle Baumaterialien und Handwerkstechniken zum Einsatz kommen. So sollen die Festungsgebäude möglichst originalgetreu wiederhergestellt und zugleich das Wissen über alte Methoden erhalten bleiben. (Was zum Beispiel auch einer der Gründe ist, warum Japans wichtigster Schrein in Ise alle 20 Jahre neu aufgebaut wird.) Gescheitert wäre das Projekt beinah am japanischen Gesetz über Gebäudestandards, das keine Holzkonstruktion dieser Höhe erlaubt. Für die Burg Ōzu machte man aber eine Ausnahme.

Der Hauptturm der Festung von Ōzu wurde nach traditioneller Art wiedererrichtet.
Der Hauptturm der Festung von Ōzu wurde nach traditioneller Art wiedererrichtet.

Worauf man seit dem Mittelalter Gott sei Dank verzichtet, beim Bau der Burg Ōzu aber damals noch praktiziert wurde, sind Menschenopfer. Die Praxis, die über ganz Ost- und Südasien verbreitet war, nennt sich auf Japanisch hitobashira (人柱), also menschliche Säule. Dafür wurde eine Person lebendig unter oder in der nähe des entstehenden Bauwerks begraben. Man machte dies vor allem bei schweren Bauvorhaben in der Nähe von Flüssen oder an Abhängen.

Der Legende nach wurde in Ōzu eine junge Frau namens Ohiji per Losverfahren dazu bestimmt, die menschliche Säule für die Festung zu werden. Angeblich kam so der angrenzende Hiji-kawa-Fluss zu seinem Namen. Ganz schön gruslig, oder?

Blick von Burg Ōzu auf den Hiji-kawa-Fluss.
Blick von Burg Ōzu auf den Hiji-kawa-Fluss.

In einer japanischen Burg übernachten

Die Nipponia Hotelkette ist darauf spezialisiert, traditionelle japanische Häuser in moderne Unterkünfte zu verwandeln, ohne dass der ursprüngliche Charme dabei verloren geht. Dass wir uns hier in einer sehr gehobenen preisklasse bewegen ist natürlich auch klar, weswegen ich leider noch nie in einer der Nipponias übernachten konnte.

Wenn dann würde ich mich aber für Ōzu entscheiden. Nicht nur gibt es ein paar liebevoll restaurierte Häuser in der charmanten Altstadt, nein, du kannst auch eine Nacht im Burgturm verbringen. Inklusive luxuriösem Abendessen und Frühstück aus regionalen Zutaten. Wer möchte kleidet sich als feudaler Lord und reitet auf einem Pferd in den Burghof, wo die offizielle Schlüsselübergabe stattfindet. Es klingt irre spaßig.

Das Teehaus des Garyu Sanso in Ōzu.
Das Teehaus des Garyu Sanso in Ōzu. Wenn du eine Nacht in der Burg verbringst, nimmst du in der Stadtvilla dein Frühstück ein.

Quellen und weiterführende Links

Wikipedia: 大洲城 (jap.)
Wikipedia: 建築基準法 (jap.)
Wikipedia: Hitobashira (engl.)
Ozu Castle Stay offizielle Website (engl.)
JNTO: Ozu Castle Stay (engl.)


PS: Wenn du täglich ein Stück Japan in deinen Social-Media-Feeds und dich mit anderen Japan-Fans austauschen möchtest, folge mir auf Facebook, Instagram, Twitter und Pinterest.

Noch mehr Neuigkeiten, Infos, Lustiges und Skurriles gibt es jeden Montag im Japanliebe Newsletter. Trag dich gleich ein und lerne Japan mit mir kennen.


1 Kommentar zu “Burg Ōzu – übernachten in einem japanischen Schloss

  1. Schöne Bilder 😄
    Ich mag ja die japanische Geschichte und deren Romantik
    Sehr. Besuche viele Orte mit Hustorie.
    Doch ja das Leben war ja auch mit der Gründung des shogunats
    Nach Dekaden von Machtkriegen in Japan nicht einfach, wie auch in anderen Länder waren viele Menschen
    Opfer des Fortschritts und des Wohlstands…..
    Reichtum und elitäre Kultur
    Haben viele Schatten Seiten
    Ist es heute anders in Japan ?
    Nicht wirklich, die gesselschaft ändert sich und viele Menschen möchten nicht mehr sich aufopfern für den Staat, due Firmen Und gesselschaft
    Japan ist gerade gesselschaft politisch hochinteressant
    Werte ändern sich Und ich bin echt gespannt auf due Entwicklung…

    Shōganai” sagen die Japaner in einer Mischung von Pragmatismus und Leidensfähigkeit, wenn sie ausdrücken wollen, dass eine unliebsame Tatsache nicht zu ändern ist und wohl einfach akzeptiert werden muss.

    Gerade das ändert sich….
    Liebe Grüsse

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.