Beim Wort „Hängebrücke“ habe ich sofort eine Szene aus „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ im Kopf. Diese spielt in Indien und, ja klar, da gibt’s natürlich Hängebrücken. Und vermutlich in jedem Dschungel dieser Welt. Aber bitte, doch nicht in Japan!
Bei meiner Shikoku-Reise wurde ich eines Besseren belehrt: im entlegenen Iya-Tal, das als eines von Japans geheimen Tälern gilt, schlotterte ich mit weichen Knien über eine der letzten drei vorhandenen Hängebrücken, die alle drei Jahre neu von Spezialisten aus Reben geflochten werden. Und übrigens durch ein Stahlseil verstärkt sind, damit wirklich nichts passieren kann. Aber psst, sonst wirke ich gleich nicht mehr so mutig.
Japans geheimes Samurai-Tal: das Iya-kei 祖谷渓
Ob das Iya-Tal wortwörtlich so „geheim“ ist, sei mal dahingestellt. Schließlich gibt es auch hier öffentlichen Nahverkehr, einen Bahnhof, der das Tal mit der Außenwelt verbindet und tagtäglich Busladungen voller Besucher. Das war aber natürlich nicht immer so, weswegen sich das Tal auf Japans kleinster Hauptinsel Shikoku einen ursprünglichen Charme bewahrt hat, wie man ihn sonst in Japan kaum noch findet: mit Reisstroh gedeckte Häuser, türkisblaue Gebirgsbäche, schmale Straßen. Vor allem im Herbst ziehen die leuchtenden Blätter der gefärbten Laubbäume Touristen aus dem ganzen Land an.
Auch vor vielen Jahrhunderten schon zog das Iya-Tal eine ganz bestimmte Gruppe Leute an. Nämlich die Samurai-Krieger des Taira-Clans, die im Gempei-Krieg (1180-1185) den Minamoto unterlegen waren, und auf der Flucht vor ihren Verfolgern einen sicheren Unterschlupf suchten. Angeblich bis heute sind viele Bewohner der Gegend Nachkommen der einstigen Schwertkämpfer.
Vermutlich waren es auch eben jene Taira-Kämpfer, die dem Tal seine Hängebrücken verdankt. Allerdings gibt es noch eine andere Theorie.
Wie kamen die Hängebrücken ins Iya-Tal?
Um den Ursprung der Hängebrücken im Iya-Tal ranken sich zwei Legenden.
In der einen steht der berühmte buddhistische Mönch und Gründer der Shingon-Sekte Kōbō Daishi (774–835) im Mittelpunkt. Ihm kam angeblich spontan die Idee zu den geflochtenen Übergängen, als er das Iya-Tal besuchte.
Die andere führt uns zurück zu den sich versteckenden Taira-Samurai. Für diese könnte es von Vorteil gewesen sein, Brücken zu haben, die man beim ersten Anzeichen von Gefahr leicht kappen konnte, und die somit eine Verfolgung nahezu unmöglich machten.
Generell war das Überqueren der Brücken für Ungeübte wohl nicht leicht. Im Gegensatz zu heute gab es früher kein Geländer, an dem man sich festhalten konnte. Nur, wer im richtigen Takt mit der Schwingung der Brücke ging, kam leichtfüßig von einer Talseite zur anderen. Fremde ließen sich so schon von Weitem ausmachen.
Die verbliebenen drei Hängebrücken des Iya-Tals
Iya-Kazurabashi-Brücke
Die Iya-Kazurabashi-Brücke 祖谷かずら橋 ist die am leichtesten zugängliche und dadurch auch am meisten besuchte Brücke im Tal. Sie ist 45 Meter lang und überspannt in 14 Metern Höhe einen Fluss.
Durch die Erneuerung alle drei Jahre und die eingeflochtenen Stahlseile ist das Überqueren natürlich total sicher. Meine Beine wollten dies allerdings nicht so ganz glauben, als ich dann in luftiger Höhe auf Holzplanken stand. Diese haben nämlich einen gehörigen Abstand, durch den du ständig bis nach unten siehst. Also nichts für Leute mit schlimmer Höhenangst, wobei mit den vielen Touristen nicht viel Zeit bleibt, überhaupt ins Grübeln zu kommen. Hinter dir will schließlich die nächste Reisegruppe den Nervenkitzel erleben.
Oku-Iya-Kazurabashi
Etwas anders sieht es an den beiden anderen Brücken aus. Sie befinden sich weiter im Osten, also dem schwieriger zugänglichen Teil des Tals, und waren zum Beispiel bei meiner Bus-Tour nicht Teil des Programms. Möchtest du die nebeneinander liegenden Oku-Iya-Kazurabashi-Brücken 奥祖谷二重かずら橋, was ihnen auch den Spitznamen „Ehemann und Ehefrau“ eingebracht hat, sehen, ist gute Planung bezüglich der Buszeiten erforderlich oder du machst dich mit einem Mietwagen auf den Weg.
Ausweichlösung: Das „Shikoku Mura“-Heimatmuseum in Takamatsu
Die Fahrt ins Iya-Tal ist egal von wo mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. Schaffst du es nicht dorthin, möchtest aber trotzdem eine der beeindruckenden, Hängebrücken sehen, ist ein Besuch im „Shikoku Mura“-Heimatmuseum die Lösung.
Dort findet sich gleich am Eingang eine Replik, über die man einen Teich überqueren kann. Und das mit weniger Abstand zum Wasser und vor allem je nach Tag mit viel weniger drängelnden Touristen.
Das Titelbild dieses Artikels ganz oben ist dort entstanden.
Quellen und weiterführende Links
Atlas Obscura: The Vine Bridges of Iya Valley
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Ich freue mich immer wieder auf Deine sehr interessanten Artikel. Mal sehen, vielleicht werde ich auch mal die Hängebrücken besuchen. Auf jeden Fall aber nochmal Japan besuchen. Dein Blog ist richtig klasse! Der Japankalender für 2022 wartet bei mir auch schon auf seinen Einsatz im nächsten Jahr.
Japan muss man einfach immer wieder bereisen. Für die Hängebrücken drücke ich dir die Daumen. Shikoku ist wirklich toll und durchaus ein anderes Erlebnis als der Rest des Landes. :)
Und natürlich ganz viel Spaß mit dem Kalender 😍