Es riecht nach modrigem Meerwasser und Kot. Der Bus hat mich in Futami auf der Halbinsel Mie ausgespuckt, wo ich zum Futami Okitama Schrein und seinen verheirateten Steinen, den Meoto-Iwa 夫婦岩 will. Dafür muss ich runter an den Strand, doch der einzige Weg führt vorbei am Ise Sea Paradise – ein Aquarium mit großem Souvenirshop. Eigentlich bin ich bester Dinge. Gerade habe ich einen wundervollen Tag an Japans wichtigstem Heiligtum in Ise verbracht und nun steht noch ein Highlight auf dem Plan, doch was ich hier sehe und rieche, lässt meine Laune in den Keller sinken.
Japans Schattenseiten – Aquarien, Zoos und Tiercafés
Mehrere riesengroße Walrosse sind in ein viel zu enges Glasgehege gepfercht. Alles ist grün vor Algen, die Tiere lassen die Flossen hängen und wissen kaum wohin mit sich. Sie sollen die Besucher ins Ise Sea Paradise locken, aber nein danke. So sicher nicht.
Die Japaner um mich rum scheint das nicht sehr zu stören. Mütter zeigen ihren aufgeregten Kindern die eigentlich so majestätischen Tiere und stellen sich dann fröhlich an der Kasse an. Von einem Bewusstsein für die schlechten Lebensbedingungen der Tiere keine Spur.
Das ist natürlich nicht überall in Japan so und nicht jeder geht ohne Mitleid an dem Glasbottich vorbei. Aber generell empfiehlt es sich für Tierfreunde in Japan eher, einen Bogen um Einrichtungen wie Aquarien oder vor allem Zoos und Tiercafés zu machen.
Kaffeefahrt-Tourismus – wenn Kommerz das Sightseeing komplett verdrängt
Mit einem Seufzen biege ich auf der Suche nach einer Toilette kurz in den angrenzenden Souvenirshop ab. Holla, hier steppt der Bär. Obwohl es nicht weniger modrig riecht und alles einen eher heruntergekommenen Eindruck macht, wird hier wie wild eingekauft. Vor allem Rentner und Rentnerinnen laden die Taschen mit regionalen Lebensmitteln und Mitbringseln voll. Das passiert im Höchsttempo, denn draußen wartet schon der Bus.
Ob sie wohl überhaupt alle Zeit gefunden haben, die verheirateten Steine zu sehen? Es wäre nicht das erste Mal in Japan, dass ich beobachten kann wie durch den Kommerz, der auf der japanischen Tradition, von überall Souvenirs mitzubringen, fußt, eine Attraktion völlig in den Hintergrund tritt.
Nachdem ich auch noch in der Schlange zur Toilette die übliche japanische Höflichkeit etwas vermisst habe und beobachten musste wie ein paar ältere Damen sich mit Körpereinsatz gegenseitig aus dem Weg drängten, um jeweils zuerst in die Kabine zu kommen, brauche ich erst mal frische Luft.
Meoto-Iwa – die verheirateten Felsen
Kaum bin ich am Strand, kann ich wieder unbeschwert durchatmen. Die Wellen rollen fröhlich herein und nach einem kurzen Fußweg weg vom überkommerzialisierten Mikrokosmos Ise Sea Paradiese bin ich auch schon am Futami Okitama Schrein angelangt. Und wie fast immer an Schreinen, herrscht hier eine besondere Atmosphäre, die sich völlig von der am Aquarium unterscheidet. Hier hat man Zeit, um sich in Ruhe die beiden Felsen im Meer anzusehen, die durch ein shintoistisches Reisstrohseil, ein shimenawa 注連縄, miteinander verbunden sind. Ein heiliger Bund.
Die beiden Felsen stellen im Volksglauben die beiden Gründungsgötter Japans Izanami 伊邪那美命 und Izanagi 伊邪那岐命 dar. Das shimenawa-Seil, das sie verbindet ist 35 Meter lang und eine Tonne schwer. Drei Mal im Jahr kann man dem Spektakel beiwohnen, wenn gleich mehrere Männer gebraucht werden, um es auszutauschen, da es von Meer, Wind und Wetter marode geworden ist. Das Felsen-Ehepaar soll schließlich miteinander verbunden bleiben.
Viele Gläubige versprechen sich vom Besuch dieses Schreins dementsprechend auch Glück für ihre Partnerschaft. Geht es nun darum, eine gute Ehe zu führen, einen Partner zu finden oder um eine sichere Geburt zu bitten. Kichernd werden o-mamori Talismane ausgesucht und gekauft und beim Beten die große Glocke über der Holzbox für Geldopfer besonders laut geläutet.
Ja, auch hier gibt es natürlich Kommerz. Sowohl der shintō als auch der Buddhismus machen keinen Hehl daraus, dass alle religiösen Leistungen nur gegen entsprechende Bezahlung erbracht werden. Aber man kann auch einfach einträchtig am Geländer stehen und raus aufs Meer blicken.
An gewissen Tagen im Jahr kann man sogar Glück haben und den Fuji in der Ferne sehen, während die Sonne zwischen den beiden heiligen Felsen aufsteigt. Aber auch so sind sie ein schöner Anblick, tatsächlich einer meiner liebsten (weswegen sie auch das Titelblatt des Japanliebe Kalenders 2020 sind).
Und es sind diese Momente der Ruhe und Naturverbundenheit, in denen für mich in Japan die Sonne aufgeht. Wobei Schatten und Licht nun einmal immer zusammen gehören.
PS: Wenn du täglich ein Stück Japan in deinen Social-Media-Feeds und dich mit anderen Japan-Fans austauschen möchtest, folge mir auf Facebook, Instagram, Twitter und Pinterest.
Noch mehr Neuigkeiten, Infos, Lustiges und Skurriles gibt es jeden Montag im Japanliebe Newsletter. Trag dich gleich ein und lerne Japan mit mir kennen.
Hallo.
Danke dir für diese Hinweise zu den mangelhaften Tierschutzansichten in Japan.
In Aquarien und Zoos würde ich ohnehin nicht gehen, aber dass er dort auch in Katencafés so zugeht ist schade. Die sind hierzulande ja meist echt spitze.
Grüße,
Susanne
Hallo Susanne,
als ich den Artikel 2020 geschrieben hatte, war der Ruf von den Cafés schlecht. Mittlerweile gibt es welche, die explizit Straßenkatzen ein zu Hause bieten und versuchen, diese zu vermitteln. Es lohnt sich also vorab ein bisschen zu recherchieren, welche Cafés empfehlenswert sind :)
Viele Grüße
Elisa
Ich find es echt toll, wie viel Herzblut du in deine Website steckst und lese sehr gern von deinen wissenswerten Reiseerlebnissen! ♥
Ich wollte in meinem kommenden Japan-Urlaub auch gern mal ein Aquarium besuchen… Gibt es vielleicht Aquarien mit artgerechter Haltung dort, die du empfehlen kannst?
~Liebe Ostergrüße!~
Vielen lieben Dank für das Feedback ?
Ich würde dir das Aquarium in Ōsaka empfehlen. Bei einigen Gehegen (es gibt dort auch ein paar andere Tiere als Fische) musste ich zwar mit den Zähnen knirschen, aber im Großen und Ganzen ist es toll. Das Herzstück ist ein gigantischer Tank mit einem Walhai und Tausenden anderen Fischen, um den sich der Rest des Gebäudes aufbaut. Das war ein einmaliges Erlebnis.
Alles Liebe, Elisa