Japanische Wohnungen und Häuser haben keine Gärten wie bei uns. Englischen Rasen und ein Gestell für eine Schaukel sowie einen Sandkasten sucht man dort in der Regel vergebens. Der Platz ist beschränkt. Und selbst wenn ein wenig Grünfläche vorhanden ist, dient diese entweder als Anbaufläche für Gemüse oder als ästhetisches Kunstwerk. Eine Sache allerdings gibt es in jedem japanischen Privatgarten: einen Persimmon-Baum, auf Japanisch kaki 柿.
Dire orangefarbenen Früchte gehören zum Herbst und Winter in Japan obligatorisch dazu. Und spielen eine wichtige Rolle in einem der verrücktesten japanischen Märchen.
Ein Blick auf Japans Herbst- und Winterfrucht:
Inhalt dieses Artikels
Die Geschichte der Persimmon in Japan
Wie so viele Dinge kam auch die kaki über das asiatische Festland nach Japan. Schriftlich erwähnt wurde sie zum ersten Mal im 8. Jahrhundert und galt damals als exklusive Frucht für Adlige und Reiche.
Erst 9. Jahrhunderte später waren Persimmon ein Lebensmittel für alle. Die Pflege und Kultivierung war erprobt, bekannt und weit verbreitet. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ein kaki-Baum findet sich gefühlt wirklich in jedem japanischen Garten, egal wie klein dieser ist.
Das Märchen von der geplagten Krabbe
Mit „Momotarō“, „Der dankbare Kranich“ und der Geschichte vom Mondhasen habe ich schon öfter einen Blick auf japanische Märchen geworfen. Keines war jedoch so seltsam wie das von der geplagten Krabbe.
Originaltitel
Der Originaltitel saru kani gassen (さるかに合戦, dt. „Die Schlacht zwischen Affe und Krabbe“) lässt schon darauf schließen, dass es hier nicht friedlich zugeht. Vielmehr dreht sich alles um Gutmütigkeit, Vertrauen, Hinterlist und Rache in Selbstjustiz. Starker Tobak für eine Kindergeschichte.
Das Märchen von der Krabbe und dem Affen
Im Märchen finden eine Krabbe und ein Affe ein Reisbällchen und einen Persimmon-Kern. Der Affe schwatzt der Krabbe das Essen im Austausch gegen den Kern ab. Als dieser jedoch mit viel Liebe und Pflege zu einem prächtigen kaki-Baum heranwächst, möchte der Affe auch hiervon seinen Anteil abhaben.
Er bietet der Krabbe an, auf den Baum zu klettern und die reifen Früchte für sie zu ernten. Dabei stopft er sich aber mit allen guten Früchten den Bauch voll und gibt der am Boden wartenden Krabbe nichts ab. Als diese sich beschwert, bewirft der Affe sie mit unreifen Früchten, die noch steinhart sind, und erschlägt die Krabbe.
Ab hier wird es wild. In manchen Varianten hat die Krabbe einen Sohn, der zufällig in der Nähe ist. Bei anderen Versionen bringt die Krabbe aus Schock kurz bevor sie stirbt noch mehrere Kinder auf die Welt.
In jedem Fall schwören ihre nachkommen Rache und tuns ich dafür mit einer ganzen Gruppe anderer Wesen zusammen: einer Kastanie (oder Ei in Varianten der Geschichte), einer Biene oder Wespe, einem Kuhfladen oder Stück Seetang und einem großen, schweren Mörser bzw. einem Messer.
Egal welche Kombination an ungleicher Gefährten in der jeweiligen Märchenvariante verwendet wird, ergeht es dem Affen am Ende nicht gut. Ei oder Kastanie explodieren auf dem Ofen, die Biene sticht ihn, er rutscht auf Dung oder Alge aus und wird letztendlich vom Mörser erschlagen, beziehungsweise durch Messer oder Krabbenschere des Sohns enthauptet.
Die Persimmon als Auslöser des Konflikts
Das Märchen wurde vielfach interpretiert und verändert. Sogar Akutagawa Ryūnosuke schrieb seine eigene Version, bei der die Krabbenkinder am Ende wegen des Mordes am Affen festgenommen und zum Tode verurteilt werden. Über die Version, die erklärt, warum Affen nackte Hintern und Krabben haarige Scheren haben, sprechen wir erst gar nicht.
Eines bleibt aber immer gleich: die leckeren Persimmon sind Ausgangspunkt der Tragödie.
Persimmon – die japanische Spezialität, die täglich massiert wird
Was ist das also für eine Frucht, für die es sich – zumindest im Märchen – zu töten lohnt? In Japan wird in zwei Gruppen unterschieden. Die fuyū kaki (富有柿) ähneln in ihrer Form eher Tomaten und können direkt vom Baum gegessen werden. Dafür werden sie geschält und wie Äpfel in Spalten geschnitten. Sie schmecken süß und knackig.
Die zweite Art Persimmon sind die länglichen, spitz zulaufenden hachiya kaki (蜂屋柿). Diese werden verwendet, um aus ihnen hoshigaki (干し柿), also getrocknete kaki, herzustellen.
Japan wäre mal wieder nicht Japan, wenn dies nicht ein langwieriger, komplizierter Prozess wäre, der obendrein schön anzusehen ist. Bei einer Japanreise im Winter wirst du immer wieder an Schnüre gebundene und aufgereihte kaki sehen. Oftmals hunderte Früchte bilden saisonale Kunstwerke.
Dabei geht es gar nicht, dass dies schön aussehen wird. Stattdessen können die Früchte so gut trocknen und dabei täglich massiert werden. Ja wirklich. Mit einer bestimmten Methode kommt so der natürliche Zucker in der Persimmon im Laufe der Wochen an die Oberfläche und es entstehen Trockenfrüchte, die außen wie so manche Gummibärchenart mit Zucker bedeckt sind, während sich das innere in kaki-Jelly verwandelt hat.
Wenn dir bei deiner Reise nach Japan im Herbst oder Winter die orangefarbenen Früchte begegnen, weißt du in Zukunft, was zu tun ist. Im Supermarkt bei den süßen fuyū zugreifen und die aufgereihten hachiya-Varianten bewundern.
Quellen und weiterführende Links zum Thema „Persimmon“
Japanische Märchen: Die geplagte Krabbe
Wikipedia: Herr Korbes
TASTE: The Fruit of Japanese Fairy Tales (engl.)
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