In Bayern kauft man sich morgens beim Bäcker am Bahnhof eine Butterbreze. Abends, wenn es schnell gehen muss und der Hunger groß ist, ein belegtes Brötchen oder stattet dem Dönerladen des Vertrauens einen Besuch ab. In Japan läuft das ein bisschen anders. Entweder man versorgt sich in einem Convenience Store konbini oder nutzt etwas, was ich mir für Deutschland aus mehreren Gründen nicht vorstellen kann: man isst eine Nudelsuppe am Bahnsteig. Und das meine ich genau wortwörtlich so. Oft findet sich an japanischen Bahnhöfen auf dem Bahnsteig ein kleines Restaurant, das Udon- oder Sobanudeln anbietet. Man spricht von ekisoba 駅そば („Bahnhofs-Soba“) und ekiudon 駅うどん („Bahnhofs-Udon“).
Nudelsuppe zu jeder Tageszeit
Auch wenn mittlerweile süße Teilchen vom Bäcker und Weizentoast in Japan weit verbreitet sind, das klassisch japanische Frühstück ist herzhaft. Zu Hause besteht es meist aus einer Schüssel Reis, Misosuppe und weiteren Beilagen wie zum Beispiel gegrilltem Fisch, Ei oder eingelegtem Gemüse. Unterwegs darf es aber gern eine Nudelsuppe sein. Im Sommer auch kalt.
Gar nicht so abwegig also, dass es Nudelsuppe als Fast Food an so strategisch wichtigen Punkten wie am Bahnhof gibt.
Ein Nudelsuppen-Restaurant am Bahnsteig
Was mich dabei besonders fasziniert ist die Lokalität. Praktisch muss es sein und schnell gehen, also wird die Nudelsuppenbude direkt am Bahngleis platziert. Damit ist sie direkt dort, wo der Hunger zuschlägt, wenn japanische Pendler morgens zur Arbeit aufbrechen oder abends hungrig aus dem Büro zurück kommen. Zwischen Bestellung und Servieren vergehen nur wenige Minuten. Obendrein sind die Preise günstig. Für ein paar Euro bekommst du etwas Warmes in den Bauch.
Wie sehr diese Art zu essen im Alltag der Japaner verwurzelt ist, zeigt sich an der Fähre, die im Süden Japans zwischen der Stadt Kagoshima und der Vulkaninsel Sakurajima pendelt. Nur 15 Minuten dauert die Fahrt. Dennoch gibt es an Bord ein kleines Udon- und Soba-Restaurant.
Selbst ekisoba oder ekiudon essen
Wenn dich das nächste Mal in Japan am Bahnsteig der Hunger überkommt und ein ekiudon-Restaurant in der Nähe ist, warum nicht selbst einmal ausprobieren? Das funktioniert dann so:
- Vorab suchst du dir am Automaten aus, was du essen möchtest. Es gibt eine kleine Auswahl einfacher Gerichte wie kistune udon きつねうどん, das mit einer Scheibe Tofu belegt ist oder tsukimi udon 月見うどん mit einem aufgeschlagenen Ei als Topping.
- Du steckst Geld in den Automaten und drückst die entsprechende Taste von dem Gericht, das du essen möchtest.
- Du bekommst ein Papierticket und gegebenenfalls Wechselgeld.
- Das Ticket gibst du einem Angestellten hinter dem Tresen und suchst dir einen Platz.
- Innerhalb weniger Minuten ist deine Nudelsuppe fertig und wird dir über den Tresen gereicht.
- Schlürfen, was das Zeug hält. Hier muss es schnell gehen. Der nächste Kunde wartet schon auf einen Platz ;)
Nudelsuppe am Bahnsteig gehört zu Japan wie zu Bayern die Butterbrezen (das „l“ in der Breze kennen wir hier nicht ?). Japanisches Marketing im Reisesektor spielt gern mit den nostalgischen Gefühlen der potentiellen Kunden. So starteten Japan Railways East 2016 eine „I love ekisoba“-Kampagne mit dem Motto „Am Bahnsteig kannst du noch eine Reiseerinnerung sammeln“ (2016 gab es diese schöne Broschüre dazu). So wird Nudelsuppe in den Köpfen der Leute zum Kulturgut. Aber dass es so ist, hat die UNESCO mit der Aufnahme der japanischen Küche ins immaterielles Welterbe ja längst bestätigt.
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