Ich hätte etwas zu essen einpacken sollen. Wie immer, wenn ich im wirklich ländlichen Japan lande, überrascht mich der starke Gegensatz zur guten Infrastruktur der Städte. Kein 24-Stunden-Supermarkt in der Nähe, keine Nudelsuppenbude ums Eck, kein gar nichts. Genau genommen gibt es laut Google Maps nur ein einzelnes Meeresfrüchte-Restaurant und einen kleinen Tante-Emma-Laden. In letzterem besorge ich mir ein paar Snacks als Abendessen, bevor ich mache, weswegen ich nach Yunotsu Onsen gekommen bin: baden und ins Theater gehen.
Moment, habe ich nicht gerade gesagt, hier gäbe es gar nichts? Das stimmt so natürlich nicht ganz, denn was Yunotsu Onsen hat, sind heiße Quellen. Und eine lebendige Tradition des Iwami-kagura-Theaters. Der Grund, warum ich einen Besuch in Yunotsu Onsen bei meiner Japanreise eingeplant habe.
Inhalt dieses Artikels
Thermalbadeort mit UNESCO-Weltkulturerbe-Status
Auf den ersten Blick denkt man, Yunotsu Onsen habe nichts zu bieten. Der kleine Ort in der Präfektur Shimane an Japans Westküste wirkt verschlafen. Von Touristen, vor allem westlichen, fehlt scheinbar jede Spur. Dann schlappt plötzlich ein älterer Japaner an mir vorbei; in der Hand trägt er ein Körbchen mit Badeutensilien. Er ist unterwegs zu einem der beiden öffentlichen Badehäuser.
Auch wenn Yunotsu Onsen der Charme anderer Thermalbadeorte mit traditionellen Holzhäusern wie Kinosaki Onsen oder Ginzan Onsen fehlt, gehört Yunotsu Onsen überraschenderweise zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das liegt an der Nähe zur „Iwami Ginzan“-Silbermine und Yunotsus Funktion als wichtiger Hafen zum Verschiffen des Edelmetalls bis ins 17. Jahrhundert. Dass es hier auch heiße Quellen gibt, ist eher Zufall, spielt aber in das historische Gesamtbild, dass zur Ernennung der Gegend zum Kulturerbe galt, hinein.
Angeblich seit 1.300 Jahren sind die heilenden Kräfte des Wassers hier bekannt. Seit ein buddhistischer Mönch einen Tanuki-Marderhund dabei beobachtete, wie er eine Verletzung im warmen Wasser heilte. So entstand Yunotsu Onsens ältestes Badehaus „Moto-yu“, das seine Besucher bis heute mit dem steinernen Abbild eines Tanuki begrüßt.
Moto-yu
Ein Besuch im Moto-yu verspricht ein wahrlich rustikales Erlebnis. Die Regale sind gefüllt mit den Badeuntensilien der Einheimischen, die hier regelmäßig ihr Bad nehmen. Das Bad sieht auf den ersten Blick aus, als müsse hier dringend einmal geputzt werden. Doch der Eindruck täuscht. Es sind die Ablagerungen der Mineralien im heißen Onsenwasser, die hier über die Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen haben.
Wer der lokalen Etikette folgen möchte, taucht nach dem gründlichen Reinigen sofort bis zum Hals ins heiße Wasser. Gar nicht so leicht, denn die Temperaturen hier sind überdurchschnittlich hoch und stellen den Kreislauf vor eine wahre Herausforderung. Deshalb ist nur eine kurze Badezeit empfohlen, mit zwei Wiederholungen.
Yakushi-yu
Etwas moderner kommt das Yakushi-yu schräg gegenüber daher. Nach dem Baden kannst du hier im 1. Stock in einem Ruheraum entspannen oder den Ausblick vom 2. Stock aus genießen. Im romantischen Nachbargebäude, dem alten Badehaus von 1919, befindet sich mittlerweile ein Café.
Iwami-kagura Theater am Tatsunogozen-Schrein
Für einen perfekten Besuch in Yunotsu Onsen kommst du am besten nicht so unvorbereitet wie ich, sondern bleibst über Nacht in einem der traditionellen ryokan-Gasthäuser. Dann hast du zum einen nichts das Problem, dass du Abendessen besorgen musst, denn in einem ryokan bekommst du in der Regel ein vorzügliches Nachtmahl sowie Frühstück. Zum anderen kannst du, vorausgesetzt du übernachtest von Samstag auf Sonntag in dem kleinen Küstenort, eine ganz besondere Theateraufführung erleben: Iwami-kagura. (Die Übernachtung ist nötig, da mittlerweile der letzte Zug in Richtung Matsue, wo ich meine Homebase hatte, vor Ende der Vorstellung fährt.)
Iwami-kagura ist eine regionale Form des kagura-Theaters mit treibender Musik und pompösen Kostümen. Das bekannteste Stück „Orochi“ erzählt die Geschichte von einem achtköpfigen Drachen, der vom Windgott Susanoo zur Strecke gebracht wird.
So verschlafen Yunotsu Onsen davor gewirkt haben mag, kurz vor 20:00 Uhr kommt plötzlich Leben in den Ort. Mehrere Dutzende Besucher eilen zum Tatsunogozen-Schrein, wo die eineinhalbstündige Vorstellung stattfinden wird. 2.000 Yen kostet der Eintritt für die zwei bis drei kurzen Stücke, die gezeigt werden. Die Geschichte um „Orochi“ ist fast immer dabei. Sie ist es auch, welche die Zuschauer am meisten begeistert. Denn die Schauspieler vollbringen in den meterlangen Schlauchkostümen, die die acht Köpfe des Drachen darstellen, eine wahre Meisterleistung.
Japanischkenntnisse sind nicht vonnöten, um der Story zu folgen. Den Kampf gegen den Drachen und die Rettung der schönen Jungfrau verstehst du auch ohne Worte. Stattdessen wirst du bei der wilden Musik im Takt mit dem Fuß mitwippen. Dem Rhythmus kann man sich gar nicht entziehen. Solch einen Einsatz bringen die Musiker, dass manche von ihnen zwischen den einzelnen Stücken ausgewechselt werden.
Yunotsu Onsen ist besonders. Es hat nicht das pittoreske Aussehen anderer Thermalbadeorte in Japan, aber doch seinen ganz eigenen Charme. Und zunächst ein Bad mit den Einheimischen und dann die unvergessliche Iwami-kagura-Aufführung machen einen Samstag in dem UNESCO-Weltkulturerbe-Städtchen perfekt. Ich komme auf alle Fälle wieder.
Quellen und weiterführende Links
Eintrag für Yunotsu Onsen bei der UNESCO (engl.)
Japan Guide: Yunotsu Onsen (engl.)
GaijinPot Travel: Yunotsu Onsen (engl.)
Yunotsu Kagura (jap.)
Iwami-kagura in Yunotsu Onsen: Spielplan (jap.)
Instagram: Yunotsu Kagura (jap.)
Google Maps: Tatsunogozen-Schrein
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Hi
danke für Ihre wunderbare Seite.
Ich möchte im Sept. nach Südkorea und Japan reisen.
Darf ich Sie fragen?
Die erste leichte probe Frage: Ändern sich die Preise der Shinkansen trains mit der Zeit? Soll ich besser jetzt online buchen oder reicht es ein paar Tage vor der Reise, wenn die Preise sich nicht stark ändern
LG
Hallo,
die Preise für den Shinkansen bleiben immer gleich, egal ob man Monate im Voraus oder am selben tag bucht.
Viele Grüße
Elisa