Man könnte sie fast für Weinreben halten. Dicke lilafarbene Dolden hängen von einem Holzgestell herab, überall summt und brummt es von den vielen Insekten, die emsig Pollen sammeln. Denn das, was ich hier vor mir sehe sind keineswegs Früchte, sondern die Blütenstände einer meiner Lieblingsgewächse: dem Blauregen.
Ende April, Anfang Mai hat Japan direkt nach der Kirschblüte den nächsten Trumpf im Ärmel. Vielerorts im Land entsteht ein Meer aus den weißen, rosafarbenen und lila leuchtenden Blüten der Wisterie, auch Glyzinie genannt. Oder besser gesagt ein Dach, denn die Kletterpflanze windet sich um vorbereitete Spaliere und bildet einen duftenden, lebendigen Baldachin, unter dem du spazieren gehen und ein Picknick genießen kannst.
Einige Orte sind dafür berühmt und werden auf vielen Websites empfohlen. Ein Geheimtipp, den du allerdings nicht im Japan-Reiseführer findest, ist der Fuji Park in der Stadt Wake, der über 100 verschiedene Arten Blauregen an einem Ort versammelt. Und damit der artenreichste Wisteria-Park Japans ist. Führt dich deine Japanreise im April oder Mai in die Nähe von Okayama, solltest du dir dieses Blütenspektakel also nicht entgehen lassen.

Nach der Kirschblüte kommt der Blauregen in Japan
Japan ist ein Reiseland, das ganzjährig etwas zu bieten hat. Dies gilt vor allem für die üppige Vegetation. Der Klassiker im Frühjahr ist natürlich die Kirschblüte, während der Herbst mit seiner flammenden Laubfärbung zur zweitliebsten Reisezeit für Touristen geworden ist. Ich persönlich fliege jedoch mittlerweile am liebsten im Mai. Denn gleich mehrere Pflanzenarten erblühen im Wonnemonat, allen voran die Glyzinie und die Azalee.
Blauregen sieht man bei mir in der Region wenig. Manchmal schlängelt sich eine Pflanze über das Dach einer Veranda oder ein Regenrohr hinauf. Tatsächlich sind sie aber in Deutschland wenig beliebt, da sie als Kletterpflanzen den Untergrund schädigen.

Ganz anders in Japan. Dort wird die Wisteria seit der Heian-Zeit (794–1185) als schön blühende Pflanze verehrt und kultiviert. Der aktuell größte Baum steht im Ashikaga Flower Park in der Präfektur Tochigi und wurde bereits 1870 gepflanzt. Seine Krone überspannt unglaubliche 2.000 m².
Auf Japanisch heißt das blaue Wunder übrigens fuji, was aber mit dem heiligen Berg nichts zu tun hat. Die Schriftzeichen dafür sind völlig unterschiedlich (藤 = Blauregen, 富士 = der Berg Fuji), nur die Aussprache ist zufällig gleich.
Der Fuji Park in Wake – mehr als 100 Arten Blauregen

In die kleine Stadt Wake in der Präfektur Okayama verirren sich sonst eigentlich wenig Touristen. Und schon gleich keine ausländischen. Dabei befindet sich dort in Form des Fuji Parks ein absolutes Highlight für Blumenfans. Nirgends sonst in Japan gibt es mehr unterschiedliche Arten an Glyzinien auf einem Fleck. Über 100 Arten.
Um die Wisterien besser zur Geltung zu bringen, kommen Rankhilfen zum Einsatz. Sie ermöglichen dir einen Spazierganz unter dem Blütendach. Vor meinem Besuch dort kannte ich Blauregen seinem Namen nach nur in einer Farbe, im Fuji Park wurde ich eines besseren belehrt: von Weiß über Rosa bis hin zu Lila – jede Art hat ihre ganz eigene Farbschattierung.


Während bei der Kirschblüte durch das kontinuierliche, schneeähnliche Rieseln der Blütenblätter immer ein leicht trauriges Gefühl der Vergänglichkeit mitschwingt, kann man die Atmosphäre unter den Glyzinien nur als lebendig bezeichnen. Insekten fliegen von Dolde zu Dolde, die Hinterbeine schwer vom gelben Blütenstaub, die Stimmung bei den Menschen ist beschwingt fröhlich.


Blauregen, Street Food und Schreinbesuch – ein perfekter Halbtagesausflug nach Wake

Beschließt du von Okayama aus, den Fuji Park in Wake zu besuchen, erwartet dich mehr als Blütenpracht. Direkt neben dem Gelände befindet sich nämlich der Wake Schrein. Nachdem du eine hübsche, rote Bogenbrücke überquert hast, sticht dir sofort eine Steinfigur ins Auge, die einen Eber zeigt. Eine eher ungewöhnliche Darstellung für einen shintō-Schrein.


Ebenfalls sehenswert: die kleine ema-Halle, die neben hölzernen Wunschtafeln auch einige gespendete Bilder zeigt. Zuletzt kannst du dir als Erinnerung noch einen o-mamori-Talisman für ein langes, gesundes Leben mitnehmen, der, na klar, Glyzinien als Motiv in den Stoff eingewoben hat.


Danach wird flaniert … und gegessen. Denn wo in Japan gefeiert wird, gibt es auch gutes Essen. Während der Blauregen blüht, findet im Fuji Park ein matsuri, also ein Fest statt. Das bedeutet, dass bunte Stände sich dicht an dicht drängen und leckeres Street Food, Süßigkeiten sowie Spiele für Kinder anbieten. Dein größtes Problem: du musst dich zwischen all den Schlemmereien entscheiden. Wenn du es überhaupt schaffst, deinen Blick von den blühenden Wisterien abzuwenden.

Reiseinfos
Öffnungszeiten & Eintritt
Wake Fuji Park (In Google suchen nach Wakemachifuji Park 和気町藤公園)
Adresse: 1893 Fujino, Wake, Wake District, Okayama 709-0412
Link zu Google Maps
Täglich geöffnet, 8:00~121:00
Eintritt: 300 Yen
Info der Fremdenverkehrszentrale Okayama (eng.):
Fuji Park (Fuji Wisteria Park)
Anreise
Mit dem Zug von Okayama nach Wake ca. 30 Minuten, 510 Yen
Dann weiter mit dem Taxi ca. 6 Minuten (nenn den Zielpunkt Fujikōen 藤公園) oder auf dem Rad (Fahrradverleih gleich in der Nähe des Bahnhofs) ca. 20 Minuten, zu Fuß ca. 45 Minuten.
Die Buslinie 7 (Fujino-Linie 藤野泉) fährt ab Wake Bahnhof (和気駅) drei Mal am Tag bis Fujikōen (藤公園), Fahrpreis 200 Yen, Fahrtdauer ca. 20 Minuten, doch es gibt keine sinnvolle Verbindung in die Gegenrichtung.
Fahrplan (jap.):
https://www.town.wake.lg.jp/file/attachment/29239.pdf
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Wow!
Das sind ja mal wieder wundervolle Eindrücke und wertvolle Informationen, die Du uns wissbegierigen Leseratten hinterlässt!
Ich bedanke mich ganz herzlich dafür und freue mich bereits auf den nächsten Newsletter von Dir!
Bleib so reise- und lebenslustig, wie Du bist!
Vielen herzlichen Dank. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich jemanden dazu animieren könnte, auch ein wenig abseits der klassischen Reiseführerpfade zu wandeln. :)