Sobald du in Japan erzählst, dass du aus Deutschland kommst, wirst du sehr schnell auf Baumkuchen baumukuuhen バウムクーヘン angesprochen. Der aus Kaub am Rhein stammende Karl Juchheim brachte vor über 100 Jahren das Gebäck ins Land der aufgehenden Sonne und diese ist mittlerweile nicht mehr aus der japanischen Esskultur wegzudenken. Das Rezept wird kreativ adaptiert. Mal mit Grüntee, mal mit Käsekuchenfüllung. Auf alle Fälle eins: immer lecker.
Dass der Baumkuchen heute eine der beliebtesten Gebäcksorten überhaupt ist, hat sehr viel mit Zufall und Durchhaltevermögen zu tun. Denn weder hatte Karl Juchheim jemals vor, nach Japan zu gehen, noch meinte das Schicksal es dort gut mit ihm. Mehrmals verlor er alles, was er sich aufgebaut hatte. Doch letztendlich sorgte unter anderem seine Frau Elise dafür, dass du Baumkuchen heute in jedem Convenience Store und an fast jedem Bahnhof kaufen kannst.

Wie der Baumkuchen nach Japan kam
Als junger Mann kam Karl Koseph Wilhelm Juchheim nach Japan. Unfreiwillig.
Gemeinsam mit seiner Frau Elise und dem gemeinsamen Sohn lebte Karl Juchheim zunächst in Tsingtau, China. In dem chinesischen Außenposten des damaligen Kaiserreichs gründet er eine Bäckerei mit deutschen Backwaren. Nur kurze Zeit später wird er während des Ersten Weltkriegs, in dem Japan Verbündeter Englands ist, als Kriegsgefangener erst nach Ōsaka, dann auf die Insel Ninoshima vor Hiroshima deportiert. Seine Familie bleibt zunächst in Tsingtau zurück.
Auch während der Gefangenschaft erhält Juchheim die Möglichkeit, sein Handwerk auszuüben. Bei einer Ausstellung am 04.03.1919 in Hiroshima präsentiert er zum ersten Mal seinen Baumkuchen, der begeistert angenommen wird. Daher gilt der 04. März jährlich als Tag des Baumkuchens バウムクーヘンの日 und 2019 wurde das hundertjährige Jubiläum der Spezialität gefeiert, inklusive geglücktem Weltrekordversuch für den längsten Baumkuchen.
Nach Ende des Kriegs beschließen die Juchheims, ihr Glück in Japan zu versuchen, da in der eigentliche Wahlheimat Tsingtau eine Cholera-Epidemie wütet. Das Ehepaar baut sich eine neue Existenz in Yokohama auf.
Erdbeben und Krieg gefährden den Erfolg des Baumkuchens in Japan
1923 verliert Familie Juchheim wieder alles, als das große Kantõ-Erdbeben Tōkyō und Umgebung verwüstet. Doch ein weiteres Mal starten sie neu. Dieses Mal in Kōbe und mit großem Erfolg. Der deutsche Flair und die leckeren Backwaren im Café erfreuen sich großer Beliebtheit, selbst bei Japans intellektueller Elite. Die Juchheims bilden neue Bäcker aus und das Unternehmen wächst.

Dann kommt der Zweite Weltkrieg und erneut werden Juchheims vom Schicksal gebeutelt. Der Sohn kommt als Soldat in Europa ums Leben und auch Karl Juchheim erlebt gerade noch, dass sein Geschäft 1944 schließen muss. Eine weitere Produktion ist durch die Umstände unmöglich geworden und die Familie zieht in ein Hotel. Einen Tag vor Kriegsende verstirbt auch er. Elise muss auf Anordnung der alliierten Besatzungsmächte das Land verlassen.
Der Baumkuchen wird kommerziell und japanisch
Elise gibt nach Kriegsende als letzte Überlebende der Familie ihr Okay, dass die Firma „Juchheim“ von zwei ehemaligen Angestellten neu gegründet werden darf. 1953 kehrt sie selbst nach Japan zurück und wird Geschäftsführerin der jungen Aktiengesellschaft. Gemeinsam mit einem japanischen Partner beginnt der Aufbau eines Baumkuchen-Imperiums. Bis heute hat die Firma Juchheim in etwa 20 % Marktanteil.
Fun Fact: Die Juchheim Group unterhält diverse Tochterfirmen, eine von ihnen die Marke Rosenheim ローゼンハイム (wo ich zu Hause bin).

Andere Anbieter versuchten sich ihr eigenes Stück vom Kuchen zu sichern (Wortspiel, haha) und heute findest du Baumkuchen wirklich überall in Japan. In der ihnen ganz eigenen Art haben die Japaner den Baumkuchen längst adaptiert und verfeinert. So gibt es nicht nur die verrücktesten Sorten wie Melone, sondern auch High-Class-Baumkuchen, der aufgrund der Jahresringe-Symbolik gern zu Geburtstagen und Hochzeiten verschenkt wird.
Wenn du das nächste Mal in einem der großen Bahnhöfe eine Schlange entdeckst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass gerade eine neue Sorte Baumkuchen zum Verkauf angeboten wird. Was du dann machst? Anstellen natürlich ;)
Quellen und weiterführende Links
Wikipedia: Karl Joseph Wilhelm Juchheim
Japanwelt: Wie der Baumkuchen nach Japan kam
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Ich finde es nach ca 3 Jahren Japan noch immer extrem Witzig wie wenig Bezug ich in Deutschland zu Baumkuchen hatte. In Deutschland habe ich in meinem ganzen Leben vielleicht bewusst 3 mal Baumkuchen gegessen? In Japan sieht man den ja überall zu jeder Zeit. Da kommt man schon viel eher in Versuchung. :)
Ich amusiere mich allerdings immer wieder darueber, dass es ja schienbar 2 Schreibarten. Oftmals der Baumukuhen. Aber ich habe auch schon oft die Schreibweise Bamukuhen gesehen :D
Toller interessanter Artikel :)
Hahaha, mir ging es ganz genauso. In Deutschland konsumiere ich ihn nach wie vor nicht. er kommt mir aber auch eigentlich nie unter in der Gegend hier.
Die Schreibweise ohne das „u“ in „Baum“ ist mir noch nicht untergekommen. 😲 Wenn dann nur das verkürzte „Baumu“.
Bei meinen ersten Besuch besuch in Japan war ich ganz überrascht. Die Verknüpfung zwischen Japan und Baumkauchen hatte ich nicht. Der Baumkuchen wurde aber schnell zum täglichen Snack von 7-eleven. Egal ob zum Frühstück oder am Nachmittag.
Ich hatte das auch sehr schnell adaptiert :D