Er ist nicht zu übersehen. Der Yodobashi Camera Megastore in Akihabara, genannt Yodobashi Akiba. Das Elektronikkaufhaus erstreckt sich über zehn Stockwerke und verkauft neben Kameras und den aktuellsten Smartphones mittlerweile alles, was man im Alltag braucht (oder auch nicht braucht). Von Reiskocher bis Jahrgangswein, von Koffer bis Toiletten-Bidet-Aufsatz, von Spielzeug bis hin zu Golfschlägerset. Ein Besuch bei Yodobashi ist ein Erlebnis für alle Sinne, das mich oftmals droht zu überfordern. Da ich mich ob der schieren Auswahl nicht entscheiden kann. Und die vielen visuellen Reize, die da auf mich einprasseln, gar nicht verarbeiten kann, während in Dauerschleife der Yodobashi Camera Theme Song aus den Lautsprechern dröhnt. Klingt anstrengend? Ist es auch. Aber meine absolute Empfehlung für deine Japanreise. Denn das muss man einmal gesehen haben.
Inhalt dieses Artikels
Yodo … was?
Es gibt in Japan mehrere große Ketten für Elektronik. Die Top drei mit einer großen Anzahl an Filialen, die über das ganze Land verteilt sind, bestehen aus Yamada Denki, Bic Camera und K’s Holdings. Auf Platz vier im stationären Handel mit im Vergleich gerade mal 21 Filialen liegt Yodobashi Camera. Der Yodobashi-Online Store hingegen rankt in Japan auf Platz 2 aller Onlinehändler, nur getoppt vom Platzhirsch Amazon. Dazu aber später mehr.
Wenn ich zu Hause von Yodobashi und Co. erzähle, vergleiche ich sie immer mit „Media Markt“ und „Saturn“, nur über mehrere Stockwerke. Das wird aber vor allem Bic Camera und Yodobashi nicht gerecht. Diese Kaufhäuser sind eine eigenes Universum, mit vielen kleinen Themenwelten im Inneren. Du brauchst eine neue Tastatur? Wähle eine aus … aus Hunderten. Wandle zwischen Superheldenfiguren umher zur Videospiel-Abteilung, die größer ist als jeder GameStop in Deutschland. Zieh dir ein paar Gashapon oder wolltest du nicht mal schnell ein Saxophon kaufen? Wie wäre es mit einem Puzzle zum Zeitvertreib … was soll das heißen, du kannst dich bei den Tausend unterschiedlichen Motiven nicht entscheiden? xD Gott sei Dank gibt es auch eine Kofferabteilung, damit du die ganzen Einkäufe auch irgendwie nach Hause bringst.
Es gibt kein Haushaltsgerät, das hier nicht verkauft, und kein Hobby, das auch nur im entferntesten mit Technik oder Spielzeug zu tun hat, das hier nicht bedient wird.
Mit cleveren Verkaufsstrategien zum Erfolg
Die Geschichte von Yodobashi Camera beginnt im April 1960 als Terukazu Fujisawa (藤沢 昭和) in Shinjuku ein Geschäft für Fotokameras eröffnet. Seine Strategie ist so einfach wie clever. Zum einen bietet er seine Ware besonders günstig an und gestaltet den Verkaufsraum so, dass die Kunden sich schnell einen Überblick über die verschiedenen Modelle verschaffen können. Zum anderen sind sowohl das ursprüngliche als auch alle weiteren Geschäfte in Laufnähe von großen Bahnhöfen angesiedelt.
Das Konzept geht auf. Die anfangs kleinen Läden wachsen. Allein in Shinjuku gibt es bald diverse Filialen, die jeweils auf andere Themenbereiche spezialisiert sind, nicht mehr nur Kameras. Die ungleiche Architektur erzählt bis heute von der Erfolgsgeschichte. Immer mehr umliegende Gebäude wie Bürokomplexe oder auch ein Parkhaus wurden hinzugekauft und in mehr Verkaufs- und Lagerfläche umgewandelt.
Bereits 1998 eröffnet der yodobashi.com Online Store, anfangs mit 8.000 Artikeln. Heute sind es mehrere Millionen, die sich über alle Lebensbereiche erstrecken. Die Lieferung ist immer kostenfrei, egal wie klein oder groß die Bestellung ausfällt. Mit dem Ausbau des Onlineshops wirkt Yodobashi Camera dem Effekt entgegen, unter dem viele andere Ladengeschäfte leiden: dass die Besucher nur kommen, um sich die Artikel in echt anzusehen, dann aber online bestellen. In Japan ist das in diesem Fall immer ein und dasselbe. Man bummelt bei Yodobashi, man bestellt online bei Yodobashi. Auch wenn sie nicht immer der günstigste Anbieter sind, schlagen sie alle anderen (außer Amazon) mit dem guten und zuverlässigen Service gepaart mit dem Erlass der Versandkosten.
Kultsong und Zugmaskottchen
Auch in Sachen Werbung hat Yodobashi einige gute Ideen implementiert, die zum Erfolg beigetragen haben. Da wäre einmal die Erwähnung des Standorts. Solange die Firma nur in Shinjuku angesiedelt war, enthielt jede Werbung den Hinweis darauf, dass das Geschäft am Westausgang des Bahnhofs zu finden ist. Und glaub mir, diese Info ist Gold wert für die Orientierung. Shinjuku ist nämlich der verwirrendste Bahnhof der Welt. Es gibt Memes dazu, dass man feiert, wenn man den Ausgang gefunden hat. Den falschen natürlich, haha. Aber Hauptsache draußen.
Der Werbesong von Yodobashi Camera
Diese Info findet sich auch im ikonischen Werbesong von Yodobashi, der für Fernsehspots genauso verwendet wird wie zur Beschallung der Kunden im Laden. Er geht so:
丸いみんなのの山手線 真ん中通るは中央線 新宿西口駅の前 カメラはヨドバシカメラ
若者集まる新宿に うれしいカメラの店がある ビデオも時計もそろってる ビデオもヨドバシカメラ
新宿西口駅前に 大きなカメラの店がある パソコンワープロそろってる ゲームもヨドバシカメラ
よいママよいパパよい家族 電化製品 そろってる いつでもみんなの合言葉 家電もヨドバシカメラ
Grob übersetzt bedeutet das:
Die Yamanote Line fährt im Kreis, die Chuo Line in der Mitte, am Westausgang vom Bahnhof Shinjuku, wenn es um Kameras geht, dann Yodobashi Camera.
In Shinjuku, wo die jungen Leute zusammenkommen, gibt es einen fröhlichen Kameraladen, es gibt dort auch Videokameras und Uhren, wenn es um Video geht, dann auch Yodobashi Camera.
Am Westausgang vom Bahnhof Shinjuku gibt es einen großen Kameraladen, dort gibt es auch Computer und Videospiele, wenn es um Games geht, dann auch Yodobashi Camera.
Gute Mütter, gute Väter, gute Familien, es gibt Haushaltsgeräte, das ist jederzeit das Motto von allen, wenn es um Haushaltsgeräte geht, dann auch Yodobashi Camera.
Die Melodie ist eine Abwandlung des patriotischen US Songs „Battle Hymn of the Republic“, der außerhalb Amerikas eher als „Glory, Glory Hallelujah“ bekannt ist. In jedem Fall ist die Yodobashi-Version ein hartnäckiger Ohrwurm, den du nach einem Besuch nicht so schnell wieder loswirst.
Zugmaskottchen
Die Yamanote-Ringbahn dient auch seit vielen Jahrzehnten als Maskottchen für die Elektronikkette. Am Anfang als Zug mit einer Kamera als Gesicht, dann im Laufe der Jahre mal mit Beschriftung, mal mit Bonuspunkte-Sammelkarte in der Hand. (hier eine Grafik, wie sich das Maskottchen veränderte)
Die letzte Edition speziell für den Megastore in Akihabara seit 2009 sind drei Figuren, die halb nach Mensch und halb nach Zug aussehen. Yodo-chan in Grün und mit blonden Haaren erinnert an die Yamanote Line, Yodo-kun in Grau an den Tsukuba-Express und eine weitere weibliche Figur mit pinken Haaren an die Chuo Line. Typisch für Akiba sehen alle drei nach Dienstmädchen beziehungsweise Butler aus, was eine Anspielung an die Maid- und Butler-Café-Kultur im Viertel ist. Alles in allem finde ich sie, wie die meisten japanischen Maskottchen, ziemlich schräg. Aber so sind Akihabara und Yodobashi Camera auf seine Art und Weise auch.
Viel Spaß beim Erkunden bei deiner Reise nach Japan!
Quellen und weiterführende Links
Yodobashi Akiba Offizielle Website (engl.)
Wikipedia: Yodobashi Camera (engl.)
A Geek in Japan: Yodobashi Camera song (engl.)
T.O. Blog: 山手線と………君は、「誰?」(爆) (jap.)
Akibamap: ヨドバシAkiba ヨドちゃん・ヨドくんの記念撮影用看板 (jap.)
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