Japan ist ein Land voll wunderschöner Landschaften, pulsierender Städte und faszinierender Architektur. Bei all dieser Üppigkeit an Schönheit und Kultur vor den Augen kommt man gar nicht auf die Idee, zwischendurch den Blick immer wieder nach unten zu richten. Das solltest du aber unbedingt. Sonst verpasst du eine der kuriosesten und wunderschönsten Eigenarten des Landes: Japans wunderschöne Kanaldeckel.
Kanaldeckel? So wie Gullydeckel? Ja genau! Über 12.000 (!) unterschiedliche Motive zieren Japans Schachtabdeckungen und haben sich zu einem regelrechten Kult entwickelt. Aber wie kommt es überhaupt, dass die japanischen Kanaldeckel so besonders sind?

Wie Japan seine bunten Kanaldeckel bekam
Mehrere Faktoren spielten eine Rolle bei der Entstehung der Tradition. in erster Linie die landesweite Installation eines modernen, neuen Kanalsystems in den 1980er Jahren. Dies war ein kostspieliges und zugleich äußerst unattraktives Projekt für den Steuerzahler. So kam die Idee auf, die Schachtabdeckungen von den Gemeinden individuell designen zu lassen.

Dass dies sich als großartige Idee herausstellte, wissen wir heute. 95% aller Gemeinden in Japan haben individuelle Kanaldeckel. Dabei entstehen den Gemeinden kaum Mehrkosten. In etwa 5% höher ist der Preis für einen Motivdeckel im Vergleich zu einem Normalen.
Den großen Erfolg führe ich aber auf zwei weitere Charakteristika der japanischen Kultur zurück: einerseits auf das tief verankerten Bewusstsein für Ästhetik, andererseits auf die Liebe der Japaner für Regionales.

Lokale Spezialitäten, Sammel-Hello-Kitty-Anhänger, oder KitKat-Sorten, die es nur an bestimmten Orten gibt, sind nur ein paar Beispiele dafür. Kein Wunder also, dass es teilweise einen regelrechten Kanaldeckel-Tourismus gibt. Und die Regionen dies für sich nutzen.
Franchise-Kanaldeckel, Sammler und Gullydeckel-Festival
In den letzten Jahren tauchen mehr und mehr Gullydeckel mit Motiven berühmter Franchise wie Pokémon auf. Präfekturen erklären einzelne oder eine Gruppe der digitalen Monster zu ihren Botschaftern und ebnen so den Weg für neue Schachtabdeckungen. Das zieht Kanaldeckel-Foto-Jäger, sogenannte Drainspotter oder Manholer, an. Gotta catch ’em all!

Aufgrund des enormen Erfolgs gibt es mittlerweile natürlich auch Merchandise. Und das nicht nur zu Kanaldeckeln mit Nintendo-Motiven. Untersetzer, Schlüsselanhänger, Sammelkarten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da die Deckel selbst mit ihren jeweils 40 kg Gott sei Dank zu schwer sind, um einfach von fanatischen Fans mitgenommen zu werden, gibt es stattdessen viele, die die Motive auf Papier durchpausen.

In 2019 fand in Tōkyō sogar ein dreitägiges Kanaldeckel-Festival statt. Dabei wurden fürs Fans schöne Abdeckungen aus dem ganzen Land ausgestellt. Zusätzlich gab es viele exklusive Goodies wie doryayaki mit eingebrannten Motiven, Kekse und Macarons mit buntem Aufdruck und Schreibwaren mit den heißbegehrten Designs.
Farblose und bunte Schachtabdeckungen
Der Löwenanteil der Design-Kanaldeckel ist farblos und zeigt das Motiv durch ein Relief. Nimmt man Ōsaka als Beispiel, sind dort von insgesamt 180.000 Gullydeckeln nur etwa 10% mit besonderem Design. Davon wieder nur etwa 10% sind bunt. Es ist keine Überrschung, dass der Anteil insgesamt so klein ist, da alle farbigen Kanaldeckel mit der Hand koloriert werden, was den Preis pro Schachtabdeckung verdoppelt. (so sieht es aus, wenn Farbe appliziert wird)

Wo die Motive platziert werden, erscheint größtenteils zufällig und macht die Jagd danach so spannend. Das Bild der Woche zeigt eine farbige Schachtabdeckung aus Ōsaka. Da hatte ich also wirklich Glück.

Japans Kanaldeckel sind wirklich etwas besonderes und zeigen wie schön sonst unbeachtete Alltagsgegenstände sein können. Weltweit haben sie eine große Anhängerschaft gefunden. Für mich sind sie ein beliebtes Fotomotiv, besser gesagt gehöre auch ich zu den Drainspottern und sammle möglichst viele unterschiedliche Bilder der Kanalabdeckungen. Du auch?

Weiterführende Links und Info zu japanischen Kanaldeckeln
Kanaldeckel heißt auf Japanisch manhooru futa マンホール蓋. Das manhooru kommt vom Englischen manhole (dt. Schacht) und futa ist das japanische Wort für Deckel.
Ein Kanaldeckel wiegt ca. 40 kg und kostet knapp über 500,00 €. Mit Farbe erhöht sich der Preis auf über 800,00 €.
Noch mehr Bilder von japanischen Gullydeckeln, die ich geschossen habe, findest du hier auf dem Blog.
Auf der Seite der japanischen Kanaldeckelgesellschaft 日本マンホール蓋学会 nihon manhooru gakkai gibt es unzählige Fotos der vielen unterschiedlichen Schachtabdeckungen aus ganz Japan:
On the Hunt for Japan’s Elaborate, Colorful Manhole Covers – Atlas Obscura
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Es gibt auch Sammelkarten und eine Website wo man diese bekommen kann.
https://www.gk-p.jp/mhcard/
Danke für den Tipp :)
Ich mache immer Fotos von den Deckeln für eine ehemalige Kollegin aus Deutschland die Gullideckel Fotos sammelt. Ist ja wohl eh so ein Trend geworden.
Aber zu der Geschichte, ich mag es wie oft Japan, das nützliche mit dem Schönen verbindet. Wie halt hier das Design mit dem Gullideckel um die Menschen „zu beruhigen“ oder am Fluss hier bei uns die Kirschbäume, die gepflanzt wurden, damit die Menschen beim Hanami das Flussufer festtreten :D
Das mag ich auch sehr. Vermutlich ist das einer meiner Lieblingsaspekte an Japan. Etwas muss nicht nur praktisch, sondern darf dabei auch noch qualitativ hochwertig und ästhetisch sein. ☺️
Ich fand das schon so spannend, als du das in den Storys drin hattest. So cool. Ich wünschte bei uns wäre es auch viel bunter!