Entgegen dem, was du vielleicht von einer religiösen Stätte erwartest, kann es an einem shintoistischen Schrein ganz schön laut zugehen. Da läuft traditionelle Musik, eventuell wird sogar gerade ein ritueller Tanz oder ein kagura-Theaterstück aufgeführt. Die Besucher unterhalten sich und machen absichtlich Lärm. Das muss so sein, denn die Götter müssen auf dich und deine Wünsche aufmerksam gemacht werden. Deshalb klatschen Japaner beim Beten vor dem Schrein laut in die Hände. Zusätzlich wird eine große Glocke geläutet und lautstark Münzen in eine Spendenbox geworfen. Leisten japanische kami also nur göttlichen Beistand gegen Bezahlung?
Geldspenden als Dank – saisen
Das Beten folgt einer genauen Reihenfolge, die sich je nach Schrein unterscheidet. Es ist eigentlich immer eine Mischung aus Verbeugen, Klatschen, Geld einwerfen und Glocke läuten. Da entsteht schnell der Eindruck, dass die Geldspende eine Gegenleistung fürs Erhören des Gebets sei. Allerdings ist das so nicht ganz richtig.
Die Tradition, am Schrein Spendengeld saisen 賽銭 in die sogenannte saisenbako 賽銭箱 Spendenbox zu werfen ist noch gar nicht so alt. Früher war es stattdessen üblich, zum Erntedankfest den Göttern Lebensmittel, allem voran Reis, zu spenden. Einst waren reife Reisähren das Opfer hatsuho 初穂 der Wahl, später dann auch Reiskörner in weißem Papier oder sogar mochi 餅 Reiskuchen.
An vielen kleinen Schreinen siehst du bis heute Obst, Reiswein und Kekse als Opfer. An den Großen wie dem Meiji Schrein in Tōkyō sind es ganze Reihen an Fässern, Flaschen, Dosen und Säcken. Die klassische Reisgabe als Dank an die kami wurde allerdings durch Geld ersetzt. Die Spendenboxen wurden fester Bestandteil von Schreinen und die ursprüngliche Bedeutung der Spende geriet in Vergessenheit.
Die ideale Spende am shintō-Schrein
Wenn du also am Schrein Geld in die saisenbako wirfst, kannst du das mit einem Gefühl von Dankbarkeit für alles tun, was die Götter die bereits im Leben geschenkt haben. Deine Gabe ist unabhängig von dem, was du dir für die Zukunft wünschst.
Wie viel spendest du nun aber idealerweise? Die Antwort war für mich überraschend, denn es sind 5 Yen (ca. 4 Cent). Das liegt an der japanischen Aussprache go en, die so viel wie 五円 „fünf Yen“ heißen kann, aber auch ご縁 „Beziehung“. Weitere Wortspiele suggerieren 25, 45, oder 500 Yen als perfekten Betrag. Laut Angaben auf der Website von Japans zweitwichtigem Schrein – dem Izumo Taisha – sei dies alles ein Mythos und entscheidend seien nur das Gefühl und die Aufrichtigkeit des Spenders. (Quelle: Japan Today)Vielleicht möchte man hier die Besucher aber auch zu einer größeren Spende als 5 Yen animieren.
Im Volksglauben sind die 5 Yen jedenfalls fest verankert. In der Manga- und Anime-Reihe „Noragami“ erledigt der kami Yato jeden vorstellbaren Job und spart so für seinen eignen Schrein. Als Bezahlung nimmt er bei jedem Auftrag – du wunderst dich jetzt sicher nicht mehr – nur eine 5-Yen-Münze.
Ob du selbst am shintō-Schrein betest oder nicht, ist deine ganz eigene Entscheidung. Auf alle Fälle verstehst du nun ein bisschen besser, woher die Tradition kommt, Geld dabei zu spenden. Für mich persönlich fühlt sich ein Dank an die Götter wesentlich besser an, als ein Opfer, das ans europäische Ablasssystem denken lässt.
An einigen Schreinen hat man übrigens versucht, bargeldloses Spenden per Handyapp zu etablieren. Dies hat sich aber nicht durchgesetzt. Kein Wunder, schließlich erfüllt das Klappern der Münzen beim Einwurf in die Spendenbox ja auch immer noch den Zweck, Krach zu machen. Götter, hört her! Danke für alles und so, aber das wünsche ich mir als Nächstes…
Quellen und weiterführende Links
Opfergaben – Religion-in-Japan
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