Nie werde ich vergessen, wie ich die ersten Fotos aus Japan nach Hause schickte und der Kommentar kam „Da ist es aber nicht besonders schön.“ Bis heute muss ich herzlich darüber lachen, weil ich genau weiß, was gemeint war: die Unmenge an Stromleitungen. Egal, wo man in einer japanischen Stadt nach oben sieht, schwarze Kabel kreuzen zu hunderten den Himmel, sind mit teils abenteuerlichen Konstrukten an die umliegenden Häuser angeschlossen. Aber wie kann es sein, dass ein Hightech-Land wie Japan nicht wie andere längst auf eine unterirdische Stromversorgung umgestellt haben? Hier ist die Geschichte dahinter:
Wieso Japan eine überirdische Stromversorgung hat
Japans aktuelle Situation der Stromverteilung an einzelne Haushalte geht bis heute auf den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Damals musste eine schnelle Versorgung gewährleistet sein und klassische Strommasten waren die schnellste und vor allem günstigste Lösung.
Eine Umstellung auf im Boden verlegte Stromkabel birgt einen hohen Kostenfaktor. Auf den Kilometer gerechnet sind dies je nach Gegebenheiten die zehnfachen Kosten. (Und wir reden hier von mehreren Millionen Euro pro Kilometer.) Auch ist dies keine Wochenendaktion. Denkt man an die komplexe Infrastruktur der engen japanischen Städte, wird die Schwierigkeit des Projekts deutlich.
Japans Stromleitungen und das Problem mit den Naturkatastrophen
Fragt man sich, warum in Japan so viele Stromleitungen oberirdisch verlegt sind, scheint die Antwort klar: bei einem Erdbeben ist es so danach leichter, entstandene Schäden zu beheben. Zumindest geht es schneller und kostet weniger, als wenn unterirdisch verlegte Leitungen repariert werden müssen.
Es gibt aber auch eine Kehrseite: zum einen leidet das Material stark unter der Witterung. Wenn du einmal eine Reise nach Japan gemacht hast, wird dir aufgefallen sein, wie schnell alles dort rostet. Stichwort Salzwasser. Das Meer ist auf einem Archipel eben nie weit entfernt.
Zum anderen knicken die Strommasten bei Erdbeben wie Taifunen zu Hunderten um und blockieren die Straßen. Das macht die Aufräumarbeiten schwierig und verhindert in vielen Fällen, dass Rettungskräfte an ihr Zeil gelangen. Es stehen also Menschenleben auf dem Spiel.
Aus diesem Grund, besteht seit Jahren der Plan, mehr und mehr Stromkabel unter der Erde zu verlegen. Im Jahr 2017 waren dies zum Beispiel in Ōsaka nämlich nur 6 %, in Tōkyō mit 8 % unwesentlich mehr
So modern Japan auch ist, die altmodischen Strommasten werden erst einmal noch Teil des Stadtbildes bleiben. Und ganz nach dem Motto „It’s not a bug, it’s a feature“ werden diese zusätzlich als Anbringungsmöglichkeit für Straßenlaternen, Straßenschilder und Lagepläne genutzt. Und tragen somit zumindest für meinen Geschmack eher zum ikonischen Bild Japans bei.
Quellen und weiterführende Links
Japan Forward: In the Land of Typhoons, Why Are Power Poles Slow to Disappear in Japan? (engl.)
Japan Today: Why does Japan have so many overhead power lines? (engl.)
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Ich war beim ersten Besuch auch total erstaunt. Aktuell freu ich mich wie ein Honigkuchenpferd, dass Japan wieder öffnet ohne Visum. Hoffe das bleibt so. Dann gehts nächstes Jahr nach Japaaaaan
Ich freu mich auch so sehr. Die Warterei war nervenaufreibend
Wobei ich schon mal gelesen hab, dass das bei Naturkatastrophen auch den Vorteil haben kann, dass alle Geräte schnell vom Strom getrennt sind und dadurch nicht noch mehr passieren kann.
Es hat echt zwei Seiten. Aber das Thema, dass kein Krankenwagen mehr durchkommt, scheint so dominierend zu sein, dass der Plan steht, die Kabel zu verlegen. Leider habe ich aber keine aktuellen Daten dazu gefunden.
Gibt es dort dann auch bei jedem kleineren Gewitter einen Stromausfall wie bei uns am Land?
Seit ich in München wohne, hatte ich keinen einzigen. :-)
Hm 🤔 Da bin ich ehrlich gesagt überfragt. Ich hab noch keinen erlebt, aber ich war ja auch meistens urban unterwegs.