Die COVID-Pandemie hat in Japan so manch kuriose kulturelle Eigenheit hervorgebracht. Zum Beispiel den Kult um das Fabelwesen Amabie – eine Meerjungfrau mit drei Fischschwanzbeinen und Schnabel – das angeblich gegen Seuchen wirkt. Seitdem siehst du es als Statue an Schreinen, als Motiv auf Talismanen und sogar als Maskottchen auf Regierungsmeldungen zu Corona. Während Amabie jedoch nur symbolischen Schutz gegen die Ansteckung vor Krankheiten bieten kann, mussten sich Schreine und Tempel in Japan ganz praktisch mit dem Thema auseinandersetzen. Denn es ist üblich, dass Gläubige sich vor Betreten der heiligen Stätte an einem Wasserbrunnen Hände und teilweise sogar den Mund rituell reinigen. Viren-Verbreitungsgefahr Alarmstufe Rot! Als Gegenmaßnahme bürgerte sich vielerorts eine sehr hübsche Praxis ein, die auch nach offiziellem Ende der Pandemie weiter geführt wird. Die Rede ist von hanachōzu (花手水) – dem kunstvollen Schmücken der Wasserbecken mit Blumen.
Inhalt dieses Artikels
Was ist hanachōzu und wo kommt es her?
Als hanachōzu bezeichnet man die Praxis von shintoistischen Schreinen und buddhistischen Tempeln in Japan, die Becken der rituellen Reinigungsbrunnen mit Blüten zu schmücken. Aber auch vor Geschäften und Privathäusern siehst du manchmal ähnliche Blütenarrangements. hanachōzu ist also nicht nur auf religiöse Stätten beschränkt.
Die Idee dazu kommt nicht aus der Coronazeit. Schon davor gab es vereinzelt stellen, wo du hanachōzu sehen konntest. Die Geburtsstätte ist angeblich der Yōkoku-ji-Tempel in Kyōto, auch Yanagidani Kannon genannt. Das dort gezeigte Blumendisplay ging dank Social Media viral und andere Tempel und Schreine sprangen auf den Zug mit auf. Vor allem während der Pandemie bot hanachōzu eine viel hübschere Alternative, die Leute vom Benutzen der Brunnen abzuhalten, als ein unansehnlicher Deckel oder ein trockenes Becken.
Mit Blick auf die Kultur des ikebana-Blumensteckens in Japan ist es wenig verwunderlich, dass jemand die Idee für hanachōzu hatte und diese auch noch so gut ankam. Je nach Ausführung sind die Blumenbecken ein wahrer Augenschmaus und schlagen genau in die Kerbe der japanischen Liebe für Ästhetik.
Hier kannst du die blumengefüllten Wasserbecken sehen
Mit etwas Glück kannst du hanachōzu-Becken bei deiner Reise nach Japan ganz zufällig entdecken. Aber wenn du die Blumenkunstwerke gezielt suchen möchtest und der Zeitpunkt passt, wirst du im Umkreis von Tōkyō hier fündig:
hanachōzu in Kawagoe, Saitama
Was während der Pandemie als kleiner Fotowettbewerb startete, ist mittlerweile ein große Aktionswoche geworden. Einmal im Jahr nehmen mehrere Schreine, Tempel und Geschäfte in Kawagoe an einem hanachōzu-Special teil. Dabei kannst du nicht nur viele hübsche Blumenbecken entdecken, sondern auch an einer Stamprallye teilnehmen.
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hanachōzu in Gyōda, Saitama
Die Stadt Gyōda feiert das Prinzip hanachōzu das ganze Jahr über mit zwei Aktionswochen pro Monat (!). Einzige Ausnahme ist der August. Ausgehend vom Gyōda Hachiman-Schrein sprang die Praxis auf weitere Schreine, dann Geschäftsstraßen und am Ende sogar auf die Eingänge von Privathäusern über. Nun ist es ein Touristenmagnet.
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Quellen und weiterführende Links
Japandigest: Amabie – Magischer Schutz in Corona-Zeiten
JNTO: Gyoda’s Hanachōzu Flower Displays (engl.)
Kodawar Times: Hanachozu | Scenery that can be seen at Japanese shrines and temples (engl.)
Jonelle Patrick: Floating flowers are taking over Japan this spring (engl.)
Live Japan: What Is ‚Hanachozu‘ – Japan’s New Way To Heal At Temples And Shrines Amid The COVID-19 Pandemic? (engl.)
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