Am Nachmittag sind in Shinsekai viele Jugendliche nach der Schule unterwegs.

Vergnügungsviertel Shinsekai – Ōsakas schöne neue Welt

Wenn du dir ein Vergnügungsviertel in einer japanischen Millionenmetropole vorstellen sollst, das mit Shinsekai übersetzt den Namen „Neue Welt“ trägt, was kommt dir dann in den Kopf? Ein Roboter-Café vielleicht und auf alle Fälle ganz viel Neonlichter? Ōsakas Shinsekai ist das genaue Gegenteil: es ermöglicht einen nostalgischen Blick zurück auf eine hundertjährige, bewegte Geschichte. Inklusive eines Eiffelturm-Imitats, eines überdimensionalen Werbe-Kugelfischs und eines amerikanischen Gotts mit glücksbringenden Füßen.

Einer der Eingänge zum Retro-Vergnügungsviertel Shinsekai.
Einer der Eingänge zum Retro-Vergnügungsviertel Shinsekai.

Die Anfänge von Shinsekai

Shinsekai wurde 1912 auf dem ehemaligen Gelände der „Nationale Industrie Expo“ von 1903 eröffnet. Die Expo hatte das Augenmerk auf Japans Modernität und kometenhafte Entwicklung seit Öffnung des Landes 1868 gelegt. Und diesen zukunftsweisenden Flair wollte man erhalten. Deshalb auch die Wahl des Namens „Neue Welt“.

Zu seiner Eröffnung in den 1910er-Jahren machte Shinsekai seinem Namen "Neue Welt" alle Ehre.
Zu seiner Eröffnung in den 1910er-Jahren machte Shinsekai seinem Namen „Neue Welt“ alle Ehre.

Japan war auf dem Weg, zum Global Player zu werden, und dies wollte man auch hier betonen. Also bekam das neue Viertel eine Stahlkonstruktion, die den Eiffelturm imitierte, umgeben vom sogenannten „Luna Park“ – nach seinem gleichnamigen Vorbild auf Coney Island in New York.

Doch nichts davon hatte Bestand.

Unverkennbar die Fassade eines Restaurants für Kugelfisch in Ōsakas Vergnügungsviertel Shinsekai.
Unverkennbar die Fassade eines Restaurants für Kugelfisch in Ōsakas Vergnügungsviertel Shinsekai.
Bunt, bunter, die Fassaden der Restaurants in Shinsekai.
Bunt, bunter, die Fassaden der Restaurants in Shinsekai.

100 Jahre Höhen und Tiefen

Shinsekais Geschichte ist turbulent und von Höhen und Tiefen geprägt. Im Krieg fast vollständig zerstört, danach als Vergnügungsmeile für alte Männer abgestempelt, wurde es erst Mitte der 1990er Jahre wieder populär.

Denn durch seine Historie hatte Shinsekai nun einen Retro-Charme zu bieten, wie er sonst nur noch selten zu finden war.

Das macht das Viertel in Ōsaka heute zum Touristenmagneten. Betrittst du die bunte Welt von Shinsekai, ist das ein bisschen, als wärst du in einen DeLorean mit eingebauter Zeitmaschine gestiegen und ein paar Jahrzehnte zurück gereist.

Ob's hier wohl Oktopusbällchen zu essen gibt? Die Antwort lautet eindeutig ja.
Ob’s hier wohl Oktopusbällchen zu essen gibt? Die Antwort lautet eindeutig ja.

Bunt, überladen und aus der Zeit gefallen

Hier und da blinkt tatsächlich eine Neonreklame, aber größtenteils springen dir in den belebten Gassen klassisch beleuchtete bunte Schilder und farbige Papierlaternen ins Auge. Sie konkurrieren mit Eyecatchern wie dem überdimensionalen Kugelfisch einer Restaurantkette, die es seit letztem Jahr leider nicht mehr gibt (und ja, dadurch leider auch der ikonische Kugelfisch entfernt wurde).

Dicht an dicht gedrängt stehen Lokale, Retro-Spiele-Arkaden, Jahrmarktsbuden und, etwas überraschend, auch das eine oder andere Badehaus.

Gott Billiken sitzt inmitten der zu gewinnenden Preise in einer altmodischen Schießbude.
Gott Billiken sitzt inmitten der zu gewinnenden Preise in einer altmodischen Schießbude.

Im Zentrum des Ganzen überragt der Tsūtenkaku Tower das Gelände, der seit seinem Wiederaufbau nach dem Krieg zwar nicht mehr exakt dem Eiffelturm gleicht, dafür aber mit seiner ganz eigenen Form zum Wahrzeichen der Skyline von Ōsaka geworden ist.

Zwei Wahrzeichen auf einem Bild: der große Kugelfisch, der mittlerweile leider nicht mehr dort hängt, und Tsūtenkaku Tower.
Zwei Wahrzeichen auf einem Bild: der große Kugelfisch, der mittlerweile leider nicht mehr dort hängt, und Tsūtenkaku Tower.

Und noch mehr Restaurants buhlen um deine Gunst. Die Plastikrepliken der angebotenen Speisen lassen vermuten, dass man hier gerne mit großen Portionen die Gäste lockt. Und an jeder Ecke natürlich: gegrillte Spießchen – die lokale Spezialität.

Viele der Restaurants in Shinsekai locken ihre Gäste mit Mega-Portionen.
Viele der Restaurants in Shinsekai locken ihre Gäste mit Mega-Portionen.

Dazwischen begegnet dir immer wieder ein schelmisch dreinschauender goldener Gott namens Billiken. Mich erinnert er an eine Kreuzung aus Buddha und dem Grinch.

Ein amerikanischer Gott in Japan

Die Füße des goldenen Gottes Billiken zu berühren, bringt angeblich Glück.
Die Füße des goldenen Gottes Billiken zu berühren, bringt angeblich Glück.

Billiken ist die Erfindung einer amerikanischen Designerin Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Figur erlangte bald Kultstatus und war zum Beispiel als Glücksbringer an Bord von Flugzeugen beliebt. Er galt als Beschützer und fand auch seinen Weg nach Japan. Dort gibt es Billiken-Statuen in Tōkyō, aber vor allem in Shinsekai hat er eine zweite Heimat als Maskottchen und Schutzgott der Gewerbetreibenden gefunden.

Angeblich bringt es Glück, seine nach vorne ausgestreckten Füße zu berühren. Wenn dir also ein Billiken begegnet, weißt du, was zu tun ist.

Ein Plakat in Shinsekai bewirbt das örtliche Maskottchen Billiken als essbare Variante.
Ein Plakat in Shinsekai bewirbt das örtliche Maskottchen Billiken als essbare Variante.
Baby Castelly in Billiken-Form.
Baby-Castella in Billiken-Form.

Shinsekai war für mich vor allen Dingen eins: ein fantastisches Fotomotiv. Die Dekorationen der konkurrierenden Restaurants, die alle einzigartig und herausstechend sein wollen. Kurioses, manchmal leicht Obszönes, viel Nostalgisches. Und dazwischen immer wieder der freche, goldene Billiken.

Ōsakas Retro-Vergnügungsviertel ist allemal einen Besuch während deiner nächsten Japanreise wert. Und ich hoffe, das bis dahin vielleicht auch wieder irgendwo ein großer Kugelfisch hängt, um Kunden zu locken.

Quellen und weiterführende Links zum Thema „Shinsekai“

Leslie von Japanleaks hat einen tollen Rückblick auf die bewegte Geschichte des Viertels geschrieben:
Japanleaks: Shinsekai: Die Entwicklung und Geschichte von Ōsakas Retroviertel

Matcha: Tsutenkaku Tower, Osaka – 7 Fun Activities And Area Guide (engl.)
Wikipedia: Billiken

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