Es gibt circa 1.600 buddhistische Tempel in Kyōto. Der berühmteste ist der sogenannte Kinkaku-ji 金閣寺, der Tempel des Goldenen Pavillons. Er ist eines jener Wahrzeichen Japans, die du wahrscheinlich schon einmal gesehen hast, selbst, wenn du noch nicht in Japan warst. Er ziert Reiseführer und führt die Top-Listen der Attraktionen an, die man in Kyōto gesehen haben soll. Ein „Must See“, ein Teil der „Bucket List“. Für dich…und Millionen andere auch. Menschenmassen und Ellbogenkämpfe um die besten Fotospots erwarten dich an dieser Weltkulturerbestätte. Die Chancen sind hoch, dass du ein paar Hundert Yen Eintritt dafür zahlst, nach viel Gerangel ein und das selbe Foto des Goldenen Pavillons zu schießen wie alle anderen auch. Dann noch schnell Mochi oder Softeis und einen Talisman erwerben und wieder raus. Ist der Kinkaku-ji dann überhaupt einen Besuch wert? Ja, denn mit etwas Hintergrundwissen wird dein Besuch zu mehr als einem Postkartenbild.
Inhalt dieses Artikels
Die Geschichte des Goldenen Pavillons in Kyōto
Obwohl der Goldene Pavillon heute Kyōtos berühmtester Tempel ist, wurde das Gebäude nicht als solcher gebaut. 1397 gab der ehemalige Shogun Ashikaga Yoshimitsu den Pavillon als Teil seines Altersitzes in Auftrag. Der Pavillon diente als eine Reliqiuenhalle shariden 舎利殿 und war noch nicht mit Gold verkleidet. Sowohl die Umwandlung in einen Tempel als auch die Umwandlung in einen Tempel fanden erst nach seinen Tod statt, allerdings auf seinen Wunsch hin.
Die offizielle Bezeichnung des Tempels ist heute übrigens eigentlich Rokuon-ji 鹿苑寺, was auf Deutsch „Rehgarten-Tempel“ bedeutet. Dennoch hat sich der Name Kinkaku-ji 金閣寺, also Goldener-Pavillon-Tempel, im Volksmund durchgesetzt.
Erstaunlicherweise blieb der Goldene Pavillon über mehrere Jahrhunderte erhalten, selbst als während der Ōnin-Kriege (1467–1477) der Rest des Tempelkomplexes niederbrannte. Bis zum 2. Juli 1950. An diesem Tag konnte ein buddhistischen Kleriker die Schönheit des Pavillons nicht mehr ertragen und setzte es in Brand.
Innerhalb weniger Jahre wurde der Goldene Pavillon wieder restauriert und noch prachtvoller vergoldet als davor. Seit 1955 kann er in seiner heutigen Form besichtigt werden.
Autor Yukio Mishima verarbeitet den Stoff in seinem Roman „Der Goldene Pavillon“ * (frühere Auflagen: „Der Tempelbrand“), in dem er sich intensiv damit beschäftigt, welche inneren Vorgänge den jungen, stotternden Novizen Mizoguchi dazu bringen, so eine Tat zu begehen.
Der Goldene Pavillon auf den zweiten Blick
Du kannst den Eintritt bezahlen, ein Foto schießen und dir denken „Hm, nicer Tempel, der Rest eher so lala“, keinen weiteren Blick mehr zurück werfen und wieder gehen. Oder du gehst mit dem folgenden Wissen auf das Gelände des Kinkaku-ji und nimmst die Umgebung mit einem anderen Bewusstsein war.
Was wie zufällig aussieht, ist in Wirklichkeit ein Garten im Muromachi-Stil. Alles ist so gepflanzt und arrangiert, dass eine natürliche Symbiose mit dem Goldenen Pavillon entsteht. Das Gebäude ist nicht der eigentliche Star, es ist das Gesamtbild. Die Bäume bilden einen natürlichen Rahmen, der Teich trägt nicht zu unrecht den Namen Spiegelteich Kyōko-chi 鏡湖池, macht sein Spiegelbild den Goldenen Pavillon doch erst so magisch. Die darin platzierten Steine sollen an Orte aus der chinesischen und japanischen Literatur erinnern. Das komplette Gelände ist dem Westlichen Paradies aus den Lehren des Reines-Land-Buddhismus nachempfunden.
Auch der Pavillon selbst birgt mehr Raffinesse als seine prunkvolle Goldbeschichtung. So wurde jeder drei Etagen einem anderen Architekturstil nachempfunden:
- Die erste Ebene nennt sich Hōsui-in (法水院, „Tempel des Dharma-Wassers“) und ist im Palast-Baustil der Fujiwara-Zeit (shinden-zukuri 寝殿造) errichtet.
- Das erste Stockwerk mit dem Namen Chōondō (潮音洞, „Grotte der Wellenklänge“) entspricht dem buke-zukuri-Stil 武家造 aus der Kamakura-zeit und erinnert an ein (wenn auch vergoldetes) Samurai-Haus.
- Die dritte von einem goldenen Phönix aus der chinesischen Mythologie gekrönte Ebene – Kukkyōchō (空竟頂, „überwältigender Gipfel“) – bediente sich des Zenshu-yo-Stils 禅宗様 und hat Anklänge an chinesische Zen-Tempel.
Rund um den Goldenen Pavillon
Manchmal gibt es an Tempels spannende Nebengebäude, zahlreiche Statuen und kleine Schreine. Auf dem Gelände des Kinkaku-ji ist in der Hinsicht nicht viel Interessantes geboten. Größtenteils trifft man beim Rundweg auf Verkaufsstände, an denen man Räucherstäbchen und Talismanne kaufen kann. Auf drei Sachen möchte ich dich davon abgesehen aber noch aufmerksam machen.
Münzen werfen für Glück
Nachdem du den Goldenen Pavillon umrundet hast, kommst du zu einigen Steinstatuen, um die verteilt am Boden Münzen liegen. Du kannst es dir schon denken, hier kann man sich eine Portion Glück abholen. Vorausgesetzt du triffst in das Steingefäß in der Mitte.
Ryumon-taki Wasserfall
Der kleine Wasserfall, an dem du vorbei kommst, sieht nicht nur schön aus, sondern erzählt wie der restliche Garten eine Geschichte. Ryumon-baku 龍門瀑 (auch ryumon-taki ausgesprochen) heißt übersetzt Drachentor-Wasserfall. Der Stein unten in der Mitte, auf den das Wasser hinabsprudelt (Rigyo-seki 鯉魚石 „Karpfenstein“), symbolisiert, basierend auf einer chinesischen Legende, einen Karpfen, der versucht, den Wasserfall hinauf zu schwimmen, um zu einem Drachen zu werden.
ema Wunschtafeln zum selbst bemalen
Wenn du deinen Besuch am Kinkaku-ji nutzen möchtest, um einen Wunsch ans Universum zu schicken, schlage ich vor, dass du dir eine der ema-Wunschtafeln kaufst. Diese beschriftet man auf der Rückseite mit seinem Ersuch und hängt sie dann zu den anderen. Am Goldenen Pavillon liegt die Besonderheit darin, dass du auch auf der Vorderseite das Gesicht des Motivs selbst gestalten kannst. Dies gibt es nicht so oft und macht dein ema zu etwas ganz Persönlichem.
Dieser Artikel entstand aus meiner peesönlichen Erfahrung bei meinem ersten Besuch am Goldenen Pavillon. Ich verließ das Gelände mit einem Gefühl von „Mäh, und das soll’s gewesen sein?“ Kein Gefühl hatte ich für das schöne Zusammenspiel von Garten und Gebäude, kein Auge für die außergewöhnliche Architektur des Pavillons. Dir geht es mit all diesem Zusatzwissen bei deinem Besuch hoffentlich nicht so. Und der Kinkaku-ji wird eine wertvolle Erinnerung deiner Japanreise und nicht nur ein Postkartenbild.
Öffnungszeiten, Eintritt & Anfahrt
Täglich geöffnet
Adresse: 1 Kinkakujicho, Kita Ward, Kyoto, 603-8361
9:00~17:00
Eintritt: 400 Yen
Website: Kinkaku-ji | 臨済宗相国寺派
Bus-Haltestellen: Kinkakuji-mae (direkt vor dem Eingang) oder Kinkakuji-michi (5 Min. Fußweg)
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Ich will sofort wieder hin??? UND EINE GANZE HAND VOLLER 1Yen Stücke werfen. Ich, provoziert sein Glück.
Toller Beitrag den ich inhaltlich in meiner Korrektur meines Beitrags einfließen lassen möchte. Ich hatte die Inbrandsetzung eines Mönchs nicht beschrieben, aber das der heutige Tempel eine Replika ist. Kann man das sagen?
Worauf bezieht sich deine Frage genau: die Replika oder den Mönch? Habe jetzt tatsächlich mal die Bedeutung nachgeschlagen und „Replika“ ist laut Duden eine „[minderwertige] Nachbildung“. Den Begriff würde ich umschiffen.
Der Brandstifter war laut Wikipedia der 22-jährige Novize Hayashi Yoken. Er versuchte sich nach dem Brandanschlag auf dem Daimon-ji Berg hinter dem Tempelgelände, das Leben zu nehmen. Er scheiterte und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1955 aber wegen psychischer Störungen entlassen. 1956 starb er dann an Tuberkulose.
Ich hoffe, das hilft dir weiter :D
Alles Liebe, Elisa