In Japan sind zwei große Religionen vorherrschend: shintō 神道 („Der Weg der Götter) und Buddhismus bukkyō 仏教. Sie existieren parallel und übernehmen im Alltag der Japaner unterschiedliche Aufgaben. Beide Glaubensrichtungen haben überall im Land heilige Stätten: Schreine und Tempel. Doch was ist was? Worin besteht der Unterschied? Und worin erkennst du bei deiner Japanreise, ob du dich gerade an einem Schrein oder Tempel befindest? Die Unterscheidung ist historisch bedingt oft nicht leicht, doch ein paar Erkennungsmerkmale weisen dich während deinem Japanurlaub in die richtige Richtung.
Religionen in Japan
Religion ist in Japan anders als bei uns keine Frage der Exklusivität. So fühlen sich laut einer Umfrage des Amts für kulturelle Angelegenheiten im Jahr 2018 69,0% der Japaner dem shintō und zeitgleich 66,7% dem Buddhismus zugehörig. Ein Glaube schließt den anderen nicht aus, die beiden Religionen decken unterschiedliche Themengebiete im Lebenszyklus und Alltag ab.
So wird zum Beispiel alles, was mit dem Tod zu tun hat, im Shintoismus als unrein angesehen. Also folgen Beerdigungen und Trauerriten buddhistischen Traditionen. Hochzeiten hingegen finden oft nach shintoistischem Zeremoniell statt.
Andere Glaubensrichtungen wie Christentum, Judentum oder Islam spielen nur eine sehr kleine Rolle. So beläuft sich der Anteil von Christen in Japan auf gerade mal 1,5%.
Geschichte von Buddhismus und Shintoismus
Beim Shintoismus handelt es sich um Japans indigene Religion. Während seine Wurzeln weit zurückverfolgbar sind, ist es wissenschaftlich umstritten, ab wann man eigentlich von shintō sprechen kann und ob nicht sogar nur versucht wird, diversen regionalen, historischen Riten und Praktiken einen vereinheitlichenden Stempel aufzudrücken.
Beim shintō geht es um eine Verehrung lokaler Gottheiten, Reinheit und das Einhalten von rituellen Abläufen. Es besteht eine nahe Verbindung zur Natur. Geschriebene Grundfeste, die man zum Beispiel mit der Bibel oder dem Koran vergleichen könnte, gibt es nicht.
Im 6. Jahrhundert kam über China der Buddhismus ins japanische Kaiserreich und wurde schnell zur Staatsreligion. shintō, Buddhismus und die Lehren des Konfuzianismus flossen ineinander und wurden von den Machthabern gezielt instrumentalisiert.
Immer wieder gab es auch Bestrebungen nach einem „puren Shintosimus“. Dabei stütze man sich vor allem auf die im 8. Jahrhundert festgelegte göttliche Herkunft des japanische Kaisers. Nach Jahrhunderten voller Durchmischung der Religionen, wurde nach der Meiji-Restauration 1868 eine Trennung von Buddhismus und Shintoismus beschlossen. Japan, das davor über 250 Jahre abgeschlossen war, versuchte in Windeseile mit dem Westen gleichzuziehen. Der Staats-shintō wurde eingeführt, um mehrere Zwecke zu erfüllen. Zum einen sollte bei den rasanten Entwicklungen das „echte Japanische“ erhalten bleiben, zum anderen ließ sich die Sonnengöttin als Vorfahrin der Japaner und der Kaiser als ihr direkter Urururur… -Enkel als Basis zur Indoktrinierung des Volkes verwenden.
Die politischen Folgen davon sind ein anderes Thema, doch die trennung der Religionen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war maßgeblich dafür verantwortlich, dass du heute überhaupt darüber nachdenken musst, ob du nun vor einem Schrein oder Tempel stehst. Und warum das Unterscheiden oft so schwierig ist.
Schrein oder Tempel – was sind die Unterschiede?
Was ist nun also der Unterschied zwischen einem Schrein und einem Tempel? Plakativ gesprochen ist ein Schrein immer dem Shintoismus und ein Tempel dem Buddhismus zuzuschreiben.
Durch die lange gemeinsame Geschichte, ist es in der Praxis allerdings oft nicht so einfach dies als Laie beziehungsweise Tourist zu erkennen. So finden sich Schreine auf einem Tempelgelände oder umgekehrt. Auch sind viele Traditionen in beiden Religionen üblich: zum Beispiel der Verkauf von Glücksbringern und ema-Votivtafeln oder das Aufstellen von Steinlaternen.
Dennoch gibt es ein paar Erkennungszeichen, die dich mit hoher Sicherheit unterscheiden lassen, ob du gerade an einem Schrein oder Tempel bist.
Woran erkenne ich einen shintō-Schrein in Japan?
Das sicherste Erkennungsmerkmal ist der Name. Es gibt im Japanischen einige Endungen, die auf Deutsch alle mit „Schrein“ übersetzt werden können: -jinja, -jingū, -taisha, -gū… (ausführlich darüber, welche Endungen es gibt und was sie bedeuten, habe ich hier schon einmal geschrieben).
Ein weiteres (fast !) untrügliches Zeichen: du betrittst das Gelände durch ein Schreintor torii 鳥居 (durch das du hoffentlich nicht in der Mitte gehst 😉). torii sind DAS Markenzeichen des shintō, doch wie immer bestätigen Ausnahmen die Regeln und es kommt ganz selten vor, dass du auch an einem buddhistischen Tempel eines siehst, zum Beispiel in Ōsaka am Shitennō-ji.
Sind die steinernen Wächterfiguren komainu 狛犬, von denen immer einer den Mund offen und der andere das Maul geschlossen hat, Füchse, ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr hoch, dass du dich an einem Inari-Schrein befindest. Dieser hat dann höchstwahrscheinlich auch eine größere Anzahl roter Tore.
Eindeutig wird es bei Reisstrohseilen shimenawa 注連縄, die die göttliche Welt von der unseren Abgrenzen, und weißen Zick-Zack-Streifen aus Papier, den shide 紙垂. Beides sind typisch shintoistische Elemente.
Der jeweilige kami weilt in Form eines Gegenstandes – des shintai 神体 („Gott-Körpers“) – im Hauptgebäude honden 本殿 des Schreins. Oft sind dies Spiegel (das Symbol der Sonnengöttin Amaterasu), Krummjuwelen oder auch Schwerter. Sehr selten werden kami figürlich dargestellt. Das shintai wird nie öffentlich zur Schau gestellt.
Auf Landkarten werden Schreine meist durch ein torii dargestellt.
Woran erkenne ich einen buddhistischen Tempel in Japan?
Auch Tempel grenzen sich durch ihre Bezeichnung eindeutig von Schreinen ab. Hier begegnen dir häufig Endungen wie -tera/-dera, -ji, -in oder -san.
Tempel betrittst du fast immer durch ein prächtiges Tor mon 門, das in diesem Fall nicht aus Stein oder ein paar Holzbalken besteht, sondern ein richtiges Gebäude ist. Links und rechts des Eingangs findest du oft große, furchterregende Wächtergottheiten niō 仁王.
Auch Tempel haben eine Haupthalle, die hondō 本堂, in der sich das Hauptheiligtum honzon 本尊 – eine Buddhastatue – befindet. Diese ist nicht immer zugänglich, aber im Gegensatz zum Schrein, kommt es oft vor, dass du die Statue sehen und anbeten kannst.
Und ganz klar: gibt es große Metallglocke, bist du an einem Tempel. Sie wird zum Beispiel an Neujahr 108 Mal geschlagen, symbolisch für die 108 Sünden der Menschheit.
Ein untrügliches Zeichen für einen Tempel: Räucherstäbchen. Du kannst selbst welche Kaufen, entzünden und dich durch den Rauch reinigen.
Tempel werden auf Landkarten häufig durch eine linksgewinkelte Swastika symbolisiert.
torii, Reisstrohseile und weiße Zickzackstreifen? Schrein, check! Große Tore, Buddha-Statuen und Räucherstäbchen? Tempel, check!
Damit hast du bei deiner nächsten Japanreise hoffentlich etwas mehr Klarheit, ob du gerade vor einem Schrein oder Tempel stehst und siehst sofort den Unterschied. Und wenn du trotzdem durcheinander kommst, liegt es wahrscheinlich daran, dass es wirklich nicht klar auseinanderzuhalten ist.
Quellen und weiterführende Links
BBC – Religions – Shinto: Shinto history
Religion in Japan: Was ist ein Schrein?
Religion in Japan: Was ist ein Tempel?
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