Das Astro-Boy-Mosaik des französischen Street-Art-Künstlers Invader in Shibuya.

Astro Boy Street Art von Invader in Tōkyō

Street Art ist in Japan nicht gern gesehen. Der öffentliche Raum wird penibel sauber gehalten, die Geschichten, dass man in Tōkyō keinen Mülleimer findet, kommen nicht von ungefähr. Selbst wenn Kunstwerke nach Absprache angebracht werden, halten sie sich oft nicht allzu lange und werden wieder entfernt, da es Bedenken gibt, sie könnten zu illegalen Graffitis animieren.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es Urban Art nicht auch in Japan gäbe. In den hippen, jungen Vierteln der japanischen Hauptstadt wird man durchaus fündig. Nur überdauern die Werke meist nicht sehr lange. Eine Ausnahme ist ein ganz besonderes Mosaik des französischen Künstlers „Invader“. Es zeigt an einer Fußgängerunterführung in Shibuya den kleinen, atombetriebenen Roboterjungen „Astro Boy“.

Astro Boy – Atomkraft wird salonfähig

Astro Boy war für die Entwicklung der Manga- und Anime-Industrie unglaublich wichtig. Sein Schöpfer Osamu Tezuka wird gerne als Gottvater des Mangas bezeichnet, die Astro-Boy-Reihe ist in den Top 10 der meistverkauften Serien aller Zeiten. Durch seine Comics und deren Anime-Adaptionen, die sich mit ihrem Look noch stark an amerikanischen Produktionen orientierten, schwappten die ersten japanischen Serien nach Amerika und später auch zu uns. In Deutschland ist vor allem „Kimba, der weiße Löwe“ (Janguru Taitei ジャングル大帝 ) bekannt.

Mit Astro Boy entstand in den 60er Jahren die erste Zeichentrickserie, deren Folgen 30 Minuten dauerten und eine weiterführende Geschichte erzählten. Und zwar die des kleinen Roboterjungen Tetsuwan Atomu (dt.: „Eisenarm Atom“), oder eben „Astro Boy“, wie er international bekannt wurde. In einer Welt, in der Menschen und Androiden koexistieren, kämpft der künstlich erschaffene Astro mit Superheldenfähigkeiten gegen Krieg und Unrecht. Gespeist werden seine Kräfte durch Atomkraft.

Ob es sich bei diesem Mosaik um ein Original von Invader handelt?
Ob es sich bei diesem Mosaik um ein Original von Invader handelt?

Der erste Manga der Geschichte erschien bereits 1952, nur sieben Jahre nach dem Abwurf der beiden Atombomben in Hiroshima und Nagasaki. Auch wenn Osamu Tezuka selbst betonte, dass dies nicht sein Ansinnen gewesen war, halfen die Geschichten dabei, ein positive Image der Atomkraft bei der japanischen Bevölkerung zu verankern. Ein Segen für die Regierung, die dringend auf den Bau von Kraftwerken zur Stromversorgung des ressourcenarmen Landes angewiesen war.

Während in den Originalgeschichten die utopisch positiven Möglichkeiten der Atomkraft und deren nicht beherrschbaren Gefahren noch gegenübergestellt wurden, wurde Astro Boy später von der Atomindustrie regelrecht missbraucht, um für diese zu werben. Neu gezeichnete Comics erzählen zum Beispiel davon, wie Astro Boy ein Atomkraftwerk aus Japan zu Tieren in den Dschungel fliegt, weil diese dort frieren und hungern. Das Kraftwerk rettet die Dschungelbewohner und übersteht auch Erdbeeben und Tsunamis völlig unbeschadet.

Astro Boy in fußläufiger Entfernung vom Tepco Museum

Wie das mit einem Tsunami und einem Atomkraftwerk in Realität ausgehen kann, wissen wir seit der Dreifachkatastrophe von 2011. Die letzten Tage erst ist Tepco, die Betreiberfirma des Atommeilers in Fukushima, wieder im Gespräch, da sie rund eine Millionen Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer einleiten will.

Das mittlerweile ehemalige Tepco Museum für die Geschichte der Elektrizität in Shibuya, Tōkyō.
Das mittlerweile ehemalige Tepco Museum für die Geschichte der Elektrizität in Shibuya, Tōkyō.

In diesem Fall vermutlich nur Zufall, doch das Astro Boy Mosaic in Shibuya befindet sich unweit des Tepco Museums für die Geschichte der Elektrizität. Oder besser gesagt dem ehemaligen Museum. Denn Tepco musste seit 2011 fast alle PR-Aktivitäten einstellen und somit diverse Einrichtungen dieser Art schließen. So zuletzt auch jenes Museum in Shibuya.

Das Astro-Boy-Kunstwerk hat also zumindest schon das Tepco Museum überdauert. Invader hat damit Osamu Tezuka ein kreatives Denkmal gesetzt. Ob dem französischen Pixel Artist die Nähe zur Einrichtung Tepcos bewusst war, kann ich nur spekulieren. Ironisch empfinde ich es allemal.

Quellen und weiterführende Links

‚Astro Boy Mosaic‘ – Tokyo, Japan – Atlas Obscura

How comic books helped fuel Japan’s love for the atom | Arts and Culture News | Al Jazeera

Out of Death, an Atomic Consecration to Life: Astro Boy and Hiroshima’s Long Shadow

Urban Art in Japan: Interview mit Jin Funato | JAPANDIGEST

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