Ich stehe vor der Replik einer großen goldenen Schutzfigur, wie sie auf dem Dach der Burg von Nagoya angebracht ist. Und lache gerade noch herzlich über das Warnschild, dass man sich nicht den Kopf am nach oben gerichteten Schwanz anstoßen soll, wenn man sich für ein Foto auf das Tier setzt. Da macht es schon „donk“ und genau das ist mir passiert. Zur Erheiterung aller anderen, die auf ein Foto mit dem Fabelwesen warten. Es ist ein shachihoko, oder kurz shachi, an dem ich mich da gerade gestoßen habe. „Du sollst Gebäude beschützen und nicht Menschen Schaden zufügen“, denke ich mir, den Hinterkopf reibend. Denn das ist die Aufgabe der furchterregend dreinschauenden Ungetüme. Warum das so ist:
Die Schutzdämonen japanischer Dächer
Traditionelle, japanische Häuser vereinen Praktisches mit Ästhetik. Das zeigt sich zum Beispiel bei den wunderschön geschwungenen Dächern. Jene Stellen, wo die Traufen aufeinander treffen, sind oft mit Ziegeln in besonderer Form geschmückt.
Diese onigawara (dt. „Dämonenziegel“) genannten Reliefplatten oder figürlichen Darstellungen dienen zum einen dazu, dass kein Wasser eindringen kann. Zum anderen haben sie eine symbolische Bedeutung. Zeigen sie Schriftzeichen wie „Wasser“ oder „Geld“ ist diese eindeutig. Bei den Dämonenfratzen, die dir manchmal bei einer Reise in Japan entgegen blicken, lohnt es, an die europäischen Wasserspeier zu denken. Ähnlich wie ihr westliches Pendant schützen sie das Haus und halten das Böse fern.
Ein ganz besondre Rolle im Reigen der Dachfirstdämonen nehmen die shachihoko ein.
shachihoko – Brandschutz auf Japanisch
Der shachihoko ist ein Fabelwesen aus der japanischen Mythologie. Seinen Fischkörper ziert ein Tigerkopf. Zu finden ist er angeblich in den nördlichen, kalten Meeresregionen. Was ihn so besonders macht: sein Schwanz zeigt immer in Richtung Himmel und er kann in seinem Bauch eine große Menge Wasser speichern. Zusätzlich wird ihm nachgesagt, dass er Wolken und Regen heraufbeschwören kann.
Deshalb passt er symbolisch perfekt auf Japans Burgen, die ursprünglich größtenteils aus Holz bestanden und entsprechend feuergefährdet waren (weswegen auch nur noch zwölf im Originalzustand erhalten sind). Man hoffte, im Brandfall könne der shachi das Feuer durch das Wasser in seinem Magen oder das Herbeirufen von Regen löschen.
Um gleichzeitig Blitzschlag vorzubeugen sind die Dachfirstfiguren oft aus Holz oder Ton. Besonders hervorstechend werden die Tigerkarpfen, wenn sie wie an der Burg Nagoya mit Blattgold verkleidet sind. Eine andere seltene Variante kannst du bei einem Besuch der Burg von Kōchi sehen (siehe Artikelbild ganz oben), hier sind die shachihoko nämlich aus Bronze gegossen.
Tatsächlich musst du nicht mal bis nach Japan reisen, um shachi sehen zu können. Halte einfach das nächste Mal beim „Super Mario“ Zocken die Augen offen. Dort gibt es in einigen Leveln eine Spezialversion davon in Form der altbekannten Cheep-Cheep Fische. Schon entdeckt?
Quellen und weiterführende Links
Yokai: Shachihoko (engl.)
Wikipedia: 鯱 (jap.)
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Vielen Dank für den amüsanten und aufklärungsreichen Text!
Sehr gern :D
Ich danke für das nette Feedback!
Sehr toll geschriebener Beitrag. Die shachihoko auf den Dächern sehen auch toll aus. Danke für die Infos zu diesem Thema. Ich konnte viel dazu lernen.