Japans heimische Religion, der Shintō, kennt unzählige Götter. 8 Millionen sollen es sein. Doch die Zahl ist nur exemplarisch und beschreibt eigentlich nichts anderes, als dass ihre Zahl unendlich groß ist. Es kann sich dabei um alles möglich handeln: einen Baum oder Berg, einen ehemaligen Kaiser (wie er am Meiji Schrein verehrt wird) oder eine lebendige weiße Schlange (so wie es in Iwakuni der Fall ist). Oder um weniger gegenständliche/real vorhandene Entitäten wie die Sonnengöttin Amaterasu oder Ebisu, einen der sieben Glücksgötter.
Auch wenn es sich bei den sogenannten kami gerade nicht um etwas erfassbares wie einen heiligen Felsen handelt, sind sie meinem Empfinden nach viel greifbarer als die Götter vieler anderen Glaubensrichtungen. So wird die Gottheit eines Schreins zu Festen zum Beispiel regelmäßig in einer Sänfte, einem omikoshi, durch die Straßen getragen. Ein Priester erzählte mir, die Sänfte sei spürbar leichter, wenn sie gerade keinen kami beherbergt.
Ganz klar, viele Gottheiten finden sich im heiligen Inneren von Schreinen. Dem Teil, den nur die Priester betreten dürfen. Doch vielen kami kann man auch so begegnen. Denn man erkennt eindeutig, wo sie wohnen.
Heilige Reisstrohseile
Als ich von japanischer Neujahrdekoration erzählte, kam das Thema bereits in Form der shime kazari auf, heilige Reisstrohseile. Mit ihnen errichtet man eine Grenze und sperrt das Böse aus. Deshalb findet man sie auch an jedem torii, durch das man einen Schrein betritt. In diesem Fall nennt man sie im speziellen shimenawa, sie trennen die Welt der kami von der diesseitigen Welt. Sehr oft sieht man sie in Kombination mit shide, das sind die Papierstreifen, die zu einem Zickzackmuster gefaltet werden.
Aber sie sind eben nicht nur an Schreintoren, sondern auch an Wohnorten der kami. Also zum Beispiel an Felsen und sehr häufig um Bäume. Wie ich ja bestimmt schon mal erzählt habe, umarme ich gerne so Altehrwürdige und spüre den Jahrhunderten nach, die sie schon durchlebt haben.
Wenn du also nach Japan kommst und dir ein Stein oder Baum in freier Wildbahn begegnet, der ein shimenawa trägt, halt einen Moment inne und vergegenwärtige dir, dass du gerade vor einer heiligen Stätte verweilst. Göttliche Nähe inbegriffen.
PS: Die Inspiration zu diesem Post kam übrigens davon, das sich kürzlich „Tonari no Totoro“ kuckte und er genau in so einem Baum lebt. Das Bild zum Artikel entstand am Sumiyoshi Taisha Schrein in Ōsaka.
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