Denkt man an Zugfahren in Japan, kommt einem wahrscheinlich als erstes der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen mit seiner Entenzschnauze in den Sinn. In Sachen Schnelligkeit und Pünktlichkeit stellt er den deutschen ICE mit links in den Schatten. Aber Japan hat eine weitere ganz andere Seite, was das Bahnfahren angeht. In ländlichen Gegenden, wo das Leben im Vergleich zu den pulsierenden Metropolen wie Tōkyō oder Ōsaka stillzustehen scheint, gibt es wenig befahrene Linien, die Teils um ihre Existenz bangen müssen. Auf diesen verkehren keine schnellen Loks, die Anzahl der Reisenden ist überschaubar. Hier kommt oft eine ganz besondere Zugart zum Einsatz: das wanmanka ワンマンカー, also ein One Man Car. Ein Zug, der nur einen Lokführer hat, aber keinen Zugbegleiter.
wanman – ein Waggon, ein Lokführer
Es kann schon passieren, dass man bei einem Tagesausflug an einem etwas entlegeneren Bahnhof landet und zwei Mal hinschauen muss, ob da nun wirklich ein Zug angefahren kommt oder nicht vielleicht doch nur eine Straßenbahn. Das grüne Schild vorne in der Windschutzscheibe verrät wanman, es handelt sich um einen Ein-Mann-Zug. Diese haben in der Regel nur einen oder manchmal auch zwei Waggons mit einem Führerhäuschen an jedem Ende. Ähnlich einem deutschen Schienenbus.
Nur, dass die Ein-Wagen-Variante wahrlich winzig klein ist, und der Betrieb eben von einer einzigen Personen geschmissen wird. Diese ist Lokführer und, wenn es sein muss, auch Fahrkartenkontrolleur in einem.
Dies ist möglich durch Japans geschlossenes Fahrkartensystem, bei dem man nur zu den Gleisen gelangt, wenn man vor Antritt der Fahrt ein Ticket erworben hat, welches man am Zielbahnhof dann wieder abgibt. Das funktioniert natürlich alles elektronisch und somit muss im Zug selbst nicht kontrolliert werden. Dennoch ist nicht jeder Bahnhof in ganz Japan dauerhaft bemannt und so kommt es manchmal vor, dass man am Ankunftsort angekommen das Ticket beim Verlassen des Zugs beim Lokführer zeigt.
Zugromantik und kreativer Überlebenskampf
Die kleinen Züge, die entlegene Gegenden von Japan befahren sind mit viel Romantik und Nostalgie verknüpft. Davon abgesehen stellen sie ein wichtiges Verbindungsmittel für die Menschen auf dem Land dar. Kein Wunder also, dass manchmal hart um den Erhalt der wirtschaftlich wenig rentablen Strecken gekämpft wird.
Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Kishigawa-Linie, die überleben konnte durch eine Katze. Eine Katze? Ja, die dreifarbige Streunerkatze Tama, die sich gern rund um den Bahnhof Kishi in der Präfektur Wakayama aufhielt, kam gut bei den Pendlern an. Schnell erlangte sie zu immer größerer Popularität und wurde zur offiziellen Bahnhofsvorsteherin ernannt. Mit eigener Dienstmütze versteht sich. Tama wurde so zum Tourismusmagnet, dass mittlerweile – auch nach ihrem Tod – Züge im Tama-Design auf der Linie verkehren und das Bahnhofsgebäude mit einem Dach, das ans Gesicht einer Katze erinnert, renoviert wurde.
Auch in anderen Regionen Japans wurden Anstrengungen Unternommen, lokale Linien zu retten. Zum Beispiel durch eine Fotokampagne mit passenden Kalendern dazu, deren Erlös in den Erhalt der Strecke geht.
Das Bild der Woche zeigt so einen wanman-Zug am Bahnhof von Futamino-Ura. Nach einem Tagesausflug zu den verheirateten Felsen Meoto Iwa bringt er einen zurück in Richtung Großstadt, gemeinsam mit vereinzelten Schülern und einer munter vor sich hin summenden japanischen Omi im Kimono. Gut, dass es diese kleinen Züge gibt.
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